Die Eröffnungsausstellung von Eva Maisch vor einem Jahr im neu geschaffenen „Hofstall“ im fränkischen Lindelbach war ein Fest für alle Sinne. Ideenreich ausgewählte Handwerkskunst im Ambiente eines umfunktionierten ehemaligen Bauernhofes begeisterte das Publikum ebenso wie die eingeladenen fünf GestalterInnen. Bei der Renovierung des Hofes ist es Eva Maisch und ihrem Mann Walter Jäckl Wert gelungen, die historische Substanz zu bewahren und behutsam neue architektonische Elemente einzufügen.
Wer den Hintergrund kennt, weiß, dass es bei Projekten, wie sie Eva Maisch mit ihrem Hofstall realisiert hat, um mehr geht, als um den Erfolg einer engagierten Werkstattgalerie. Handwerkskünste sind elementar mit der kulturellen Entwicklung des Menschen verbunden. Durch die Industrialisierung scheinbar überflüssig gemacht, mussten sie sich im 20. Jahrhundert mit Hilfe von Gestaltung und Kunst neu erfinden. Das ist angesichts des Konsumverhaltens, das durch die Werbe- und Wirtschaftskraft oft mächtiger Konzerne dominiert wird, extrem schwierig. Zwar gibt es ausreichend Akademien und Museen für Angewandte Kunst und Design. Doch sie allein können den Fortbestand der Handwerkskünste, die sinnstiftende humane Tätigkeiten mit Nachhaltigkeit verbinden, nicht gewährleisten.
Damit die Produkte und Objekte aus künstlerisch-handwerklicher Tätigkeit in der Alltagskultur ankommen, bedarf es neben der Selbstvermarktung der GestalterInnen private Galeristen und Vermittler. Seit ihrer Gründung 2004 in der Würzburger Sterngasse hat Eva Maisch ihr Publikum an das Thema herangeführt. Von Beginn an konzipierte sie gemeinsam mit ihrem Mann Walter Jäckl anspruchsvolle Themenausstellungen mit teils international renommierten KünstlerInnen. So wurden die Vielfalt, der Ideenreichtum, ebenso wie die Qualität zeitgenössischer Werkstätten einem wachsenden Publikum weit über Würzburg und Unterfranken hinaus vertraut.
Im Rahmen der Sommerausstellung 2019 präsentiert Eva Maisch fünf KünstlerInnen, die alle auf ihre Weise Grenzgänger sind. Die gezeigten Arbeiten machen in vielfacher Weise sichtbar, wie befruchtend die Überwindung von Grenzen sein kann. Zum einen verarbeiten die einzelnen KünstlerInnen die unterschiedlichsten Einflüsse aus Handwerk, Kunst und Alltagskultur, zum anderen sind sie längst zu einer weltumspannenden Gemeinschaft geworden, wobei die Auseinandersetzung mit verschiedenen Kulturen und Ländern häufig zur Inspirationsquelle wird.
Seit seinem Studium an der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim und der Akademie der Bildenden Künste in München befasst sich der in Japan geborene Jiro Kamata mit Wahrnehmung und Illusion. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen tragbarem Schmuck und Kunstobjekt. Hauptthema sind Arbeiten mit optischen Linsen oder dichroitischen Spiegeln, die je nach Lichteinfall einen Farbwechsel erzeugen. Wenn auch eher unbewusst, beeinflussten ihn japanisches Denken und japanische Kultur in seiner Arbeit stark, sagt der heute in München lebende Schmuckkünstler. Immer wiederkehrende Aspekte sind die Verbindung zwischen Werk und Betrachter sowie die Reflektion der Umgebung im Stück. Die Schmuckstücke Kamatas regen an zu Perspektivwechsel und Selbstreflektion.
In Prag geboren studierte Lenka Kühnertová an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Neben dem Kommunikationsdesign setzte sie sich während des Studiums auch mit Textildesign auseinander. Diese Verbindung spiegelt sich in ihren Arbeiten wider: Textile Objekte und Kleidungsstücke werden Träger grafischer Motive. Auf Grundlage von Stimmungen und Assoziationen aus literarischen Texten fertigt sie hochwertige Textilien mittels individueller Siebdrucktechniken für ihre Mode- und Tuchkollektionen sowie Interieur. Jede Arbeit entsteht von der Idee und dem Entwurf über alle Produktionsschritte in ihrer Stuttgarter Manufaktur.
Mi Won McGhee wurde in Südkorea geboren, studierte Keramikdesign an der Glasgow School of Art, lebte einige Jahre in Prag und arbeitet derzeit in Glasgow.
„Smartphone-Dynasty“ ist der Titel ihrer Porzellanvasen. Auf den ersten Blick klassisch anmutend werden sie bei näherer Betrachtung zu kritischen Kommentatoren der sozialen Medien und ihrer oft grenzüberschreitenden Einflüsse auf den Alltag. Die Icons von Instagram, Facebook und Co zieren die Vasen wie klassische Markenstempel, handgemalte Szenen karikieren den inflationären Umgang mit dem Smartphone.
Über ihre Arbeit sagt Tabea Reulecke: “Wenn ich reise, dann ‚esse’ ich. Wenn ich erzähle, dann teile ich. Wenn ich ‚koche’, dann gebe ich den Dingen eine neue Form.“ Die Dinge auf sich zukommen lassen, unvoreingenommen zu sein, sind Eigenschaften, die der Künstlerin dazu verhelfen, sowohl bei ihren Arbeiten als auch ihren Reisen offen an Themen heranzugehen und in den Schmuck zu übersetzen. So werden die Straßenhunde Chiles zu Hauptfiguren ihrer dort entstandenen Stücke und emaillierte Käsescheiben und Brote zum Arbeitsthema bei der Auseinandersetzung mit kulinarischer Identität während eines Aufenthaltes in Thailand.
Amnon Lipkin aus Tel Aviv versteht sich als Künstler und Handwerker. Vor zehn Jahren wurde eine Singer-Nähmaschine zu seinem wichtigsten Werkzeug, als er begann, triviale Alltagsgegenstände wie z.B. Kameras, Sprühflaschen und Zigarettenschachteln in ironische textile Objekte zu verwandeln. Schwerpunkt seines Schaffens bilden inzwischen seine zweidimensionalen Arbeiten, für die er den Stich der Nähmaschine wie eine Strichzeichnung nutzt und so seine Motive – hauptsächlich Szenen aus seiner sich stets im Wandel befindlichen Heimatstadt Tel Aviv – auf die Leinwand bringt. Impressionen von seinen Reisen, wobei ihn stets seine Nähmaschine begleitet, setzt er teilweise direkt an den Orten der Inspiration um. Auch in Lindelbach wird Amnon Lipkin vor Ort arbeiten und seine Eindrücke in seinen entstehenden Kunstwerken umsetzen.
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Eva Maisch
Im Hofstall
Wäldleinstraße 1
97236 Randersacker/Lindelbach
Deutschland - 05.07.2019 – ab 19 Uhr
06.07.2019 – 13 bis 21 Uhr
07.07.2019 – 11 bis 18 Uhr