Geknetetes Wissen – Die Sprache der Keramik

Das Kunsthaus Graz bietet noch bis zum 19. Februar 2017 einen spektakulären architektonischen Rahmen für eine der interessantesten Ausstellungen der letzten Jahre zum Thema Keramik in der Kunst.

Ai Weiwei The Wave

Ai Weiwei, The Wave, 2014. © Ai Weiwei Studio

Das Kunsthauses Graz ist mit seinen biomorphen Formen durchaus als riesiges zeitgenössisches Keramikobjekt vorstellbar. Doch die Blob-Architektur, 2003 im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres von Peter Cook und Colin Fournier gestaltet, bildet nur den Rahmen für große Keramikkunst der Vergangenheit und Gegenwart. Die Ausstellung vereint Werke bedeutender Keramiker wie Lucy Rie und Hans Cooper mit jenen von großen bildenden Künstlern wie Picasso und Miro. Bei dem Ausstellungskonzept wirkte der Kurator Peter Pakesch mit den Künstlern Ai Weiwei und Edmund de Waal zusammen. Gemeinsam lenken sie den Blick auf einen Werkstoff, der lange vorwiegend dem Kunsthandwerk zugeschrieben wurde. „Zu Unrecht, denn in diesem Material steckt jahrtausendealtes Wissen und eine Geschichte der Kunst, die von Zeitgenossen immer wieder in neue Kontexte gesetzt wurde.“ Weiter heißt es aus Graz: „Einige der frühesten Kunstwerke waren Keramiken. Nicht zuletzt aufgrund ihrer elementaren Beschaffenheit (Erde, Feuer, Wasser und Hände), die diesem Werkstoff eine archetypische Qualität und eine lyrische Schönheit verleiht, wurde Keramik allerorts und für lange Zeit als hohe Kunst geschätzt. Die europäische Neuzeit war geprägt vom unstillbaren Verlangen nach chinesischem Porzellan, für das höchste Preise gezahlt wurden.

Ai Weiwei und der Kurator Peter Pakesch

Ai Weiwei und der Kurator Peter Pakesch. Foto Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Ausstellung Geknetetes Wissen in der Kunsthalle Graz

Ausstellungsansicht, Geknetetes Wissen, 2016. Foto Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Ausstellung Geknetetes Wissen in der Kunsthalle Graz

Ausstellungsansicht, Geknetetes Wissen, 2016. Foto Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Ai Weiwei Remains

Ai Weiwei, Remains, 2015. © Ai Weiwei. Foto Jens Ziehe, Berlin, Courtesy des Künstlers und neugerriemschneider, Berlin

Kazimir Malevich uprematistische Teekanne

Kazimir Malevich, Suprematistische Teekanne. In Texas produzierte zeitgenössische Replikat, Original von 1923 wurde von der Kaiserlich Russischen Porzellanfabrik Lomonosov produziert. Foto Ian Skelton

Ob Nutzgefäße oder Kunstwerke – Keramiken reisten von alters her über den ganzen Globus und verbanden Kulturen, die wenig voneinander wussten. Die durch Handel und Austausch entstandenen Wege des Wissens sind in der keramischen Tradition so spannend wie in kaum einem anderen Handwerk. So scheint etwa die industrielle Produktion nicht unwesentlich von deren serieller Produktionsweise inspiriert und über deren Import aus dem Osten in den Westen gebracht. Keramik ist aber vor allem ein Material, das (wie Edmund de Waal es in seinem jüngsten Buch The White Road. A Pilgrimage of Sorts ausdrückt) „jede Bewegung im Denken, jede gedankliche Veränderung“ des Töpfers in sich aufnimmt. Nicht von ungefähr bezeichnete Paul Gaugin die Keramik als „zentrale Kunst“ und die Manufacture royale de porcelaine de Sévres, die im 18. Jahrhundert zu Meißen als zweiter großer Produzent europäischen Porzellans in Konkurrenz zu treten versuchte, als „Mörder der Keramik“. Denn was Keramik als Werkstoff so einzigartig macht, ist die Unmittelbarkeit, mit der die Gedankenwelt des Töpfers in das Gefäß fließt und die gleichzeitige Unvorhersehbarkeit, in welcher Form der Brennofen das Produkt letztendlich zutage bringt. Diese Qualitäten schätzte nicht nur Gauguin, sondern machten sich auch etliche Künstler der Moderne wie Pablo Picasso, Joan Miró, Lucio Fontana oder Peter Voulkos zunutze, die Keramik als Medium ihres künstlerischen Ausdrucks zu nutzen verstanden. Nichtsdestotrotz hatte Keramik als traditionelles Medium in der Moderne einen schlechten Stand und wurde als Kunstgewerbe in die zweite Reihe gestellt. Heute werden wir durch einen verschärften Blick auf neuere asiatische Kunst und eine weitere Öffnung der künstlerischen Praxis zunehmend mit diesem Material konfrontiert. Wie kaum ein anders Medium hat Keramik in den letzten Jahren in der zeitgenössischen Kunstproduktion einen Aufschwung erhalten und wird von bildenden Künstlerinnen und Künstlern aller Gattungen vermehrt als multidimensional einsetzbares Medium verwendet.

Traipse von Alison Britton

Alison Britton, Traipse, 2014. Courtesy der Mardson Woo Gallery, London Foto: Philip Sayer

China & Shaanxi Keramik Amphore

China & Shaanxi (Provinz), Amphore, Yangshao-Kultur, 5000/4001 v. Chr. In Kooperation mit MOK – Museum für Ostasiatische Kunst, Köln © Rheinisches Bildarchiv

Edmund de Waal, I speak of nothing else

Edmund de Waal, I speak of nothing else, 2015. Courtesy des Künstlers und Galerie Max Hetzler Berlin / Paris, Foto: Mike Bruce

Joan Miró, Ei

Joan Miró, Ei (beschreibender Titel), 1956. Foto: Museum für Gestaltung Zürich, Kunstgewerbesammlung © ZHdK, © Bildrecht, Wien, 2016

Die Ausstellung Geknetetes Wissen im Space01 des Kunsthauses Graz ist als Dialog zwischen den Kulturen China und dem Westen angelegt. Sie verfolgt in einer künstlerischen Erzählung die Wege des Wissens damals und heute und wirft einen Blick auf den Wandel eines elementaren und gleichzeitig technologisch bedingten Mediums, das über lange Perioden bis in die Moderne unsere Vorstellungen immer wieder herausgefordert hat. Wo wurde dieses „geknetete Wissen“ bewahrt, wie wurde es vermittelt und was trägt die Keramik der zeitgenössischen Kunst an gespeichertem Wissen in sich? Zwei der herausragenden Künstler, die sich diesem Material intensiv widmen, Ai Weiwei und Edmund de Waal, fungieren als kuratorische und künstlerische Partner der Ausstellung. Für Geknetetes Wissen treten sie mit Peter Pakesch in einen Dialog über den Umgang mit Keramik und Begegnungen über die Zeiten und unterschiedlichen Kulturen hinweg. Natürlich sind ihre eigenen Arbeiten – neben prominenten Referenzen und bedeutendem historischem Material – in der Ausstellung vertreten.“

Pablo Picasso La chouette

Pablo Picasso, La chouette (Die Eule), 1952. Museum Ludwig, Köln/Schenkung Ludwig, Foto: © Rheinisches Bildarchiv, Britta Schlier, © Bildrecht, Wien, 2016

Isamu Noguchi, My Mu

Isamu Noguchi, My Mu, 1950. Foto: © The Isamu Noguchi Foundation and Garden Museum, New York / ARS. Kevin Noble © Bildrecht, Wien, 2016

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (88 Seiten, VP: 19,90 €) mit Texten von Peter Pakesch und Edmund de Waal sowie Installationsansichten der Ausstellung im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln.

 

Ab 11. Oktober 2016 zeigt das Kunsthistorische Museum Wien die Ausstellung
Edmund de Waal trifft Albrecht Dürer. During the Night, bei der Edmund de Waal seine persönliche Auswahl von Objekten aus den Sammlungen des Hauses präsentiert. Nähere Informationen unter: www.khm.at

 

  • Kunsthaus Graz, Space01
    Lendkai 1
    8020 Graz
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