Zeitreisen

Um Science-Fiction geht es nicht in der Sommer-Ausgabe 2-2022. Um Erweiterung des Bewusstseins aber schon.

Welche Aufgaben haben Kunst und Handwerk? In der Print-Ausgabe Sommer 2022 betrachten wir unter dem Titelthema „Zeitreisen“ einen Aspekt, der üblicherweise Science-Fictons-Autoren beschäftigt. Wenn man will, lässt sich sogar ein Bezug zum Roman „Die Zeitmaschine“ des englischen Autors H. G. Wells herstellen. In der auch verfilmten Erzählung reist der Wissenschaftler George mit seiner Zeitmaschine weit in die Zukunft, wo er im Jahr 802.701 den Elois begegnet. Diese werden von den unter der Erde lebenden Morlocks beherrscht. In einer Bibliothek sieht George, dass alle Bücher der Menschheit zu Staub zerfallen sind und somit alles Wissen verloren gegangen ist.

Kolumba, Köln

Das Kolumba wurde von dem Schweizer Architekten Peter Zumthor entworfen. Innen begegnet die Geschichte Kölns der Kunst unserer Zeit. © Kolumba, Köln, Photo Veit Landwehr.

Eine Institution, die dem Wissensverlust auf beeindruckende Weise entgegenwirkt, ist das Kolumba in Köln. Wie kaum ein anderes Haus für Kunst beherbergt das Museum der Erzdiözese Köln die Spuren und Werke der Jahrhunderte im Dialog zwischen Kunst, Handwerk und Architektur. Antike Mauerreste erinnern an die Zeit der Gründung durch Rom. Von der Entwicklung des Christentums im Mittelalter in Europa künden vier Kirchen, die zwischen 400 nach Chr. bis ins 14. Jahrhundert auf den römischen Fundamenten errichtet worden waren. Im Kolumba kann man die ehemalige enge Verknüpfung von Religion, Bildung und Gesellschaft nachvollziehen, ebenso die Öffnung des Museums für die zeitgenössische Kunst sowie Themen des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart. Aus Sicht der angewandten Kunst und des Kunsthandwerks ist das Kolumba deshalb so wichtig, weil dort alle Kunstgattungen gleichwertig behandelt und präsentiert werden – und weil dieses Museum einen Beitrag dafür leistet, dass die Werke der Vergangenheit und Gegenwart für uns und zukünftige Generationen nicht im Staub der Geschichte zerfallen. Dr. Rüdiger Joppien hat für Art Aurea das Kolumba besucht und nimmt unsere LeserInnen auf eine packende Zeitreise in meditative Räume mit, in denen angewandte, bildende und darstellende Kunst auf Augenhöhe präsentiert werden.

Elena Alvarez Lutz

Die Autorin und Filmemacherin Elena Alvarez Lutz beeindruckt mit ihrem Dokumentarfilm über die Schmuckkünstlerin Helen Britton.

Bei ihrer unermüdlichen Suche nach Materialien und Themen hat Helen Britton Produktionsstätten der Schmuck- und Edelsteinindustrie wie Idar-Oberstein, Neugablonz sowie die Stadt der Glaswerkstätten, das thüringische Lauscha, besucht. Für die in Australien geborene und in München lebende Künstlerin waren dies Reisen an Orte, die ihre industrielle Blütezeit weitgehend hinter sich haben und von den Mythen der Vergangenheit leben. Die Autorin und Filmemacherin Elena Alvarez Lutz hat Helen Britton auf diesen ‚Zeitreisen‘ begleitet und den Dokumentarfilm „Hunter from Elsewhere – A Journey with Helen Britton“ gedreht. Dabei wurde auch unser Beitrag für die Filmemacherin selbst eine Reise, die sie noch einmal zurückführte in ihre Kindheit, ihre ersten Begegnungen mit Schmuckkunst und zeitgenössischer Keramik.

Juliane Schölß

Silberschmiedin mit Leib und Seele, Juliane Schölß aus Nürnberg. Foto Ulrike Myrzik.

Für die dritte große Story in der Sommerausgabe haben Julie Metzdorf und Ulrike Myrzik die Silberschmiedin Juliane Schölß in Nürnberg besucht. Handwerklich und akademisch ausgebildet, hat sie sich auf den schwierigen Weg begeben, ein ehrwürdiges Handwerk mit neuen Inhalten zu bereichern. In einer Zeit, die kaum noch Tafelsilber kennt und die Gefäße aus Edelmetall selten als sammelwürdige Kunst erachtet, ist dies ein schwieriges Unterfangen. Doch jede Silberschmiedin und jeder Silberschmied lernt dabei auch etwas, das vielen Zeitgenossen abhandengekommen ist: Geduld und Achtsamkeit. Beide Tugenden scheinen heute in einer auf Effizienz getrimmten Wirtschaft fast aus der Zeit gefallen. Dabei spürt eine wachsende Zahl von Menschen genau dies als Bedürfnis: Zeit zu haben, achtsam zu sein, mit seinem Körper, seiner Familie, seinen Freunden, mit der Welt und ihrer wunderbaren Natur.

Arts Crafts World

In dieser Rubrik lädt Art Aurea regelmäßig namhafte KuratorInnen oder GaleristInnen ein, um von ihnen besonders geschätzte KünstlerInnen vorzustellen. Die Auswahl für die aktuelle Ausgabe 48, Sommer 2022, trafen Dr. Monika Fahn, Bayerischer Kunstgewerbeverein, Franziska Appel, Galerie Schmagold, Kassel, Dr. Sabine Runde, langjährige Kuratorin am MAK, Frankfurt, Dr. Johannes Wieninger, ehemals Leiter der Abteilung Asien am MAK, Wien, sowie Dr. Eva-Maria Tutsek, Alexander Tutsek-Stiftung, München. Sie haben folgende KünstlerInnen ausgewählt:

Christoph Finkel: Seine gedrechselten Holzobjekte beeindrucken in ihrer Virtuosität und Transparenz.
Jochen Holz: Freie amorphe, organisch anmutende Formen zwischen Kunst, Handwerk und Design.

Jochen Holz

Jochen Holz in seinem Studio in London.

Rud Witt: Die Textilkünstlerin begeistert mit komplexen Konzepten und ephemeren Installationen.
Kurt Spurey: Das Thema ‚Chawan‘ repräsentiert für ihn die fundamentale Frage von Form und Funktion.
Ann Wolff: Die Beschäftigung mit philosophischen und existentiellen Fragen treibt die Künstlerin an.

Beiträge in der Rubrik Review

Erinnerung an Lucy Sarneel. Das CODA Museum Apeldoorn bewahrt das Erbe der Schmuckkünstlerin.
Coburger Glaspreis 2022. Der erste Preis geht an die skandinavische Künstlerin Aesa Björk.
Schmuck und Image. Das GRASSI Museum Leipzig zeigt rund 300 Stücke von 180 KünstlerInnen.
Achtung: Kunsthandwerk! Zum 75-jährigen Jubiläum des Bundes der Kunsthandwerker Baden-Württemberg e.V.
Materie bewegt Geist. In der Ausstellung der Galerie Culturesphere geht es um eine nachhaltigere Materialkultur.
Staatspreis Rheinland-Pfalz 2022. Zwei Keramikerinnen und eine Schmuckkünstlerin gewinnen.
Gustav Weidanz. Renate Luckner-Bien verfasste die Monografie zum Leben und Werk des vielseitigen Bildhauers.
documenta fifteen – eine kollektive Reisscheune. In Kassel geht es um geteilte Ressourcen und Nachhaltigkeit.

Künstlerkollektiv ruangrupa

Die KuratorInnen der documenta fifteen, das Künstlerkollektiv ruangrupa aus Indonesien. Photo Saleh Husein.

Art Aurea Ausgabe 48, Sommer 2022, hat inklusive Umschlag 92 Seiten und ist erhältlich in führenden Galerien und Spezialgeschäften für 12 Euro (EU 14 euros) sowie im Abonnement. Bestellungen per Mail an Sabrina Vial s.vial@pressup.de oder unter: https://artaurea.de/abonnement/

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