Henry van de Veldes Lieblingsstück

Nele van Wieringen über die Zusammenarbeit von Henry van de Velde mit August Hanke aus Höhr.

Henry van de Velde

Der belgische Architekt, Designer und Alleskönner Henry van de Velde wurde 1900 vom Direktor des Krefelder Kaiser Wilhelm Museums, Friedrich Deneken, engagiert, um die schwächelnde Steinzeugindustrie im Westerwald voran zu bringen. Van de Velde reiste 1901 nach Höhr und stellte sich den vom Landrat Schmidt empfohlenen Werkstätten vor. Die Werkstatt des jungen August Hanke, damals 26 Jahre alt und noch kein Jahr Inhaber der Firma Reinhold Hanke, muss van de Velde besonders gefallen haben. Im Herbst 1902 schlägt der Landrat van de Velde einen Exklusivkontrakt mit Hanke vor. Damit beginnt eine besondere Zusammenarbeit zwischen dem belgischen Designer und dem Keramiker aus Höhr. Leider sind keine Skizzen, Anweisungen oder Entwürfe van de Veldes für August Hanke bekannt.

Reinhold Hanke August Hanke

Doch gab es im Keller des Keramikmuseums Höhr-Grenzhausen drei Bananenkartons, beschriftet mit „Nachlass Hanke“. Wahrscheinlich sind sie vor vielen Jahren geschenkt worden, wurden jedoch nie ausgepackt. Nach und nach packten wir die Kartons aus und entdeckten alte Rechnungen, Bilder, Zeugnisse, Briefe und – da war ich besonders entzückt – Rezeptbücher für Glasuren. In einer kritzeligen Handschrift hatte August Hanke seine Versuche dokumentiert – und das waren nicht wenige. Ich kenne wenig Keramiker, die so experimentierfreudig sind oder waren wie August Hanke. In dem kleinsten Heftchen, das aussah, als ob es viele Stunden in Hankes Hosentasche verbracht hatte, sind seine frühesten Experimente aufgezeichnet. Auf der Jahrhundertausstellung in Paris hatte Hanke kupferrote Reduktionsglasuren gesehen. Ihnen galt sein besonderes Interesse.

August Hanke

Wolf Matthes, der für das herrliche Werkverzeichnis Henry van de Veldes der Klassik Stiftung Weimar schon viele Auskünfte über Glasuren und Brennverfahren gegeben hatte, war am nächsten Tag sofort zur Stelle. Er wird sich in der nächsten Zeit diesem Fund widmen.

August Hanke

Eine kleine salzglasierte Vase, im Werkverzeichnis auf der ersten Seite abgebildet, ruft viele Fragen nach ihrer Herkunft auf. Sie ist auf vielen Privatfotos van de Veldes in unterschiedlichen Wohnungen, meist auf Ehrenplätzen, zu sehen. Eine Skizze dieser Vase, an der das Herz des Designers anscheinend besonders hing, fanden wir in Hankes frühestem Heftchen, datiert 28 III 1901. Weiterblätternd gab es noch mehrere Skizzen. Wahrscheinlich benutzte Hanke diese einfache Olivenform öfter für Glasurenversuche. Beweisen können wir es nicht, aber es könnte sein, dass Henry van de Velde die Vase in der Werkstatt von August Hanke gesehen hat. Nachdem er sie bewundernd in der Hand genommen hatte, könnte August gesagt haben: „Die schenke ich Ihnen, Herr van de Velde!“