Seit fünf Jahren ist in der letzten Art Aurea-Ausgabe des Jahres der komplette Katalog der Grassimesse integriert. Diese findet alljährlich im Oktober im Grassimuseum Leipzig statt. Nachfolgend eine Einstimmung zum Schwerpunktthema „Echt und kostbar“ unserer Winterausgabe.
Echt und kostbar
Was selten, dazu noch besonders schön oder kulturell bedeutsam ist, betrachtet der Mensch gemeinhin als kostbar. Als kostbar erachtet werden heute immer mehr die Schätze der Natur und das, woran ein großer Mangel herrscht. So kann Wasser für einen Verdurstenden kostbarer sein als alle Schätze der Welt. In Kunst und Design muss das Kostbare in der Regel auch echt sein. Das Plagiat – vorausgesetzt der geistige Diebstahl ist bekannt – wird selten als Kostbarkeit geschätzt. Daraus lässt sich schließen, wie kostbar auch Ideen und Originale sind. Wie kaum ein anderes Erzeugnis ist Schmuck mit der Vorstellung verbunden, kostbar zu sein. Zum einen, weil man im Edelmetall – dem traditionellen Werkstoff der Goldschmiede – Jahrtausende lang den Widerschein des Göttlichen sah. Zum andern, weil die Herstellung prachtvoller Stücke mit höchster Kunstfertigkeit verbunden ist.
Ein Pionier der Schmuckkunst feiert 40jähriges Jubiläum
Als Paul Derrez 1975 in Amsterdam seine Galerie Ra eröffnete, vollzog sich gerade ein Wertewandel in der traditionsreichen Zunft. Man experimentierte mit neuen Werkstoffen, war von Konzepten und Formen der modernen Kunst fasziniert und lehnte Schmuck ab, der sich nur durch den Materialwert und handwerkliches Können definiert. Daraus hat sich weltweit eine neue Kunst- und Designgattung entwickelt: zeitgenössischer Schmuck. Welch schöpferische Kraft sich bereits im Prozess seiner Gestaltung verbergen kann, ist gerade in der Ausstellung Private Confessions des Coda-Museums im holländischen Apeldoorn zu sehen.
Kulturaustausch mal anders
Die indische Stadt Ahmedabad war die erste Station des Projekts „The Loyal Exports“. Der österreichische Keramiker Matthias Kaiser hatte dort seine Arbeiten vor einem Museum für den symbolischen Betrag von umgerechnet je einem Euro veräußert. Die neuen Besitzer mussten sich lediglich bereit erklären, dass Kaiser sie mit einer Fotografin in ihren Wohnungen besuchte, um zu erfahren und zu dokumentieren, wie seine Vasen und Trinkgefäße in der fremden Kultur genutzt wurden. Das Projekt stellt die bestehende ökonomische Hierarchie zwischen Industrie- und Entwicklungsländern in Frage und zeigt, wie kostbar ein kultureller Austausch sein kann. Darüber hinaus ist The Loyal Exports ein gutes Beispiel, dass in ehemals kunsthandwerklichen Disziplinen heute ähnlich vielschichtige konzeptionelle Strategien möglich sind wie in der Bildenden Kunst.
Warum ein Kunstgalerist Keramik sammelt
Jörg Johnen war als Galerist viele Jahre mit zeitgenössischer Kunst erfolgreich und sammelt inzwischen seit zehn Jahren Keramik. In seiner Berliner Wohnung setzen Arbeiten bedeutender deutscher Keramikkünstler wie Beate Kuhn, Jan Bontjes van Beek oder neuerdings Johannes Nagel lebendige Kontrapunkte zu anderen Kunstobjekten. Johnen suche nach jenem Wärmepol, den er in der betont coolen Kunst unserer Zeit mittlerweile fast schmerzlich vermisse, interpretiert unsere Autorin Birgit Sonna dieses Sammlungskonzept. Die drei hier aufgeführten Beispiele zeigen, dass der Begriff der Kostbarkeit sehr subjektiv sein kann und einem Wandel unterliegt wie selten zuvor.
Der Beitrag über den Galeristen und Sammler Jörg Johnen ist die erste sogenannte Homestory in Art Aurea. Der Blick auf den Liebhaber und Sammler von Kunst, Design und künstlerischem Handwerk eröffnet ein neues Kapitel in der Entwicklung der Zeitschrift. Wir freuen uns sehr auf Ihre Reaktionen und Lesermeinungen. Vielleicht auf der Grassimesse in Leipzig vom 21. bis 23. Oktober 2016.
Öffnungzeiten der Grassimesse:
Fr, 21.10. und Sa, 22.10.2016, 10–19 Uhr
So, 23.10.2016 10–18 Uhr
http://www.grassimuseum.de