Svenja John

Vollkommene Symbiose

Seit 1994 arbeitet Svenja John mit Kunststofffolie. Farbig bemalt, fantasievoll gereiht, verbunden und verschachtelt entsteht daraus fantasievoller, vieldeutiger Schmuck. Die Berliner Schmuckautorin über die Symbiose von Kunst, technischer Perfektion und Handarbeit.

Für ihre Schmuckobjekte verwendet Svenja John einen Kunststoff namens Makrophol.

Für ihre Schmuckobjekte verwendet Svenja John einen Kunststoff namens Makrophol.

Art Aurea Was bedeutet es für Sie persönlich, Dinge mit der Hand zu machen?

Svenja John Etwas Schönes selbst zu machen, ist mir vom Kindsein übriggeblieben. Das liebe ich heute so wie damals, das macht einfach Spaß. Während unser tägliches Leben immer virtueller wird, bedeutet die Arbeit mit den Händen die Rückkehr zum Realen. Die Materialien der Welt mit unseren Sinnen zu erfassen, fördert unsere Intelligenz: Es macht uns aufmerksam, regt die Fantasie an, wir müssen improvisieren und kombinieren. Beim Gemüseschnipseln und nicht beim Lesen von Kochbüchern entsteht Neues. Handarbeit ist für mich auch eine Art von Meditation — ich schaffe etwas und kann mich dabei gleichzeitig entspannen.

Art Aurea Können Sie Ihren Arbeitsprozesse kurz beschreiben?

Svenja John Am Anfang steht die Inspiration. Die Natur, die Technik, alles inspiriert mich. Dann beginnt die Entwurfsphase, Skizzen und Papiermodelle entstehen. Ich konstruiere aber auch mittels CAD. Für die Herstellung setze ich Waterjet ein, bearbeite aber die Einzelelemente manuell nach. Auch die Farbgestaltung, Bemalung und Endmontage mache ich von Hand. Auf youtube* kann man ein Video sehen, das den Arbeitsprozess zeigt.

Art Aurea Was ist der Hauptnutzen moderner Technologie für Sie?

Svenja John Ich nutze Computerprogramme für alle meine Entwürfe. Anders könnte ich die gewünschte Perfektion kaum erreichen. Ich versuche eine vollkommene Symbiose von Kunst, technischer Perfektion und Handarbeit. Seit sieben Jahren experimentiere und arbeite ich auch mit Rapid Prototyping, Laser-Sintern und 3D-Printing. 2008 habe ich fünf Armreifen in PolyJet Multimaterial mit dem 3D-Drucker produziert. 2010 entstand eine Serie von Ringen mit Hilfe von Laser-Cusing, um direkt aus den Konstruktionsdaten Edelstahlringe zu formen.

Svenja John

Art Aurea Wird Ihre Arbeit und künstlerischer Schmuck generell denn ausreichend gewürdigt?

Svenja John In meinem direkten Umfeld wird Künstlerschmuck geschätzt, na klar. Meine Freunde und Bekannte werden seit 20 Jahren von mir aufgeklärt und missioniert! Die Wertschätzung ist auch da, wenn wir uns einem größeren Publikum zeigen und unsere Werke erklären können. Auf meiner letzten großen Einzelausstellung im Umfeld der Kölner Möbelmesse hat das Publikum „Chapeau“ gesagt.

Art Aurea Warum passiert das so selten?

Svenja John Wir Autorenschmuck-Macher sind immer noch nicht genug in der öffentlichen Wahrnehmung präsent! Die Käufer, die noch den Sinn für hochwertige Dinge haben, werden zunehmend älter. Sie schätzen meine individuelle Formensprache und sind bereit, für Einzigartigkeit zu bezahlen. Diese Generation stirbt aus und eine neue rückt nicht so einfach nach.

Art Aurea Woran liegt das und was könnte getan werden, damit sich das ändert?

Svenja John Bei der jüngeren Generation ist gerade ein „downsizing“ zu beobachten. Man beschränkt sich auf das Wesentliche. Das ist grundsätzlich gut, aber Schmuck, den viele pauschal als Luxus empfinden, wird damit obsolet. Vielleicht könnten wir das „Weniger ist mehr“ als Chance nutzen, weil das ja, im Gegensatz zu vordergründigem Luxus, genau unser Prinzip ist.

Art Aurea Was ist der Vorteil für Ihre KundInnen, wenn sie Schmuck von Ihnen besitzen und tragen?

Svenja John Schmuck, wie ich ihn mache, stärkt das Rückgrat. Er bringt eine Individualität zum Ausdruck, die man mit keiner Garderobe erreicht, und er fördert die Kommunikation. Ich wüsste zu gerne, was mein Schmuckstück auslöst, das kürzlich der italienische Botschafter hier in Berlin gekauft hat, oder die Brosche, die jetzt eine junge Architektin aus dem Büro Behnisch trägt.

Art Aurea An was arbeiten Sie gerade und was motiviert Sie, trotz aller Schwierigkeiten weiterzumachen?

Svenja John Die Entwicklung neuer Ideen macht mir Spaß und treibt mich an. Ich habe parallel zu meinen Unikaten die Designlinie xemaroo entwickelt. Ein anderes Projekt ist die Übertragung meiner Schmuckentwürfe auf Seidentücher. Ich bin selber total fasziniert: Meine Arbeiten aus farblosem, zweidimensionalen Folienkunststoff werden über das Stecken der Einzelteile dreidimensional. Die Motive werden dann wieder zweidimensional digital auf Seide gedruckt. Erste Reaktionen waren: „Wie Hermès, aber moderner!“

Interview Reinhold Ludwig
Fotos Achim Hatzius
Die Homepage der Schmuckkünstlerin

Erschienen in ART AUREA 2-2014