An den 80er Jahren scheiden sich die Geister: Während die Erinnerung an Schulterpolster, Vokuhila-Haarschnitte und Nena die Einen in wohliges Schwärmen versetzt, verursacht sie Anderen Kopfschmerzen. Und auch mit dem damaligen Design ist das so eine Sache. Warum sind die 80er geschmacklich gesehen ein Streitthema?

Möbel perdu (Michel Feith), Leuchte Tyranno, 1984. Kunststoff, Glühlampe.
Es wird nicht zuletzt an der Ausgefallenheit vieler Entwürfe dieser polarisierenden Dekade liegen. Nehmen wir diese Dinosaurier-Leuchte. Würden Sie die sich ins Wohnzimmer stellen? Eben.
Das Bröhan-Museum in Berlin beschäftigt sich ab Mitte Oktober mit einer Design-Bewegung der 80er: In der Ausstellung Schrill Bizarr Brachial werden Stücke des Neuen Deutschen Designs gezeigt. Die Bewegung stand ähnlich wie die Neue Deutsche Welle oder der Neue Deutsche Film für einen radikal neuen Ansatz: Design außerhalb des Systems der industriellen Produktion und gespeist aus allen möglichen kulturellen und subkulturellen Quellen. Protagonisten waren junge Künstler und Designer aus Großstädten in der Bundesrepublik und in Westberlin.
80 der wichtigsten Entwürfe des Neuen Deutschen Designs werden präsentiert, darunter Möbel und Objekte von Stiletto, Volker Albus, Andreas Brandolini, Axel Kufus und verschiedener Gruppen wie Möbel perdu aus Hamburg oder Bellefast und Cocktail aus Berlin. Wie der Titel der Schau ahnen lässt: Die Designobjekte bewegen sich oft zwischen Ironie und Kitsch. Bei Schulz-Pilaths Tisch Tarantula krabbelt eine Spinne durchs Wohnzimmer, mit Stilettos Consumer´s Rest Lounge Chair sitzt man in einem umgebauten Einkaufswagen und mit der Stehleuchte A59 holt Volker Albus die Autobahn in die Wohnung.
Ihren Ursprung hatte die Bewegung Neues Deutsches Design im Wunsch, mit der Tradition der Guten Form zu brechen, die auf eine sachliche und effiziente Gestaltung der Dinge abzielte. Mit der freiheitsliebenden 68er-Bewegung und der Ära Willi Brandt war diese Designhaltung in die Krise geraten. Nun sollten die Objekte Geschichten erzählen, die gesellschaftliche Situation reflektieren oder zum Nachdenken anregen. Frei nach Christian Borngräbers Devise: „Der Sehnerv darf gereizt werden, das Sitzfleisch nicht“.
Schrill Bizarr Brachial ist die erste groß angelegte Ausstellung, die mit historischem Abstand zurück auf ein Phänomen blickt, das nur eine kurze Hochphase hatte: von 1982, als in Hamburg eine erste Ausstellung mit dem Titel Möbel perdu – Schöneres Wohnen stattfand, bis zur Wiedervereinigung. Das Neue Deutsche Design ist auch ein Zeitdokument für ein Deutschlandbild, wie es heute nicht mehr existiert, und eine der letzten großen kulturellen Leistungen der alten Bundesrepublik.
Der Ausstellungskatalog ist im Wienand Verlag erschienen.
Text Agata Waleczek
Photos Martin Adam
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Bröhan-Museum
Schloßstraße 1a
14059 Berlin, Deutschland - Link