Georg Spreng

„Ich bin ein bunter Vogel“

Nach elf Jahren als Designer und Mitbegründer des renommierten Büros frogdesign hatte Georg Spreng 1983 von einem Leben in der Südsee geträumt. Bei einer Urlaubsreise in Kanada verliebte er sich dann aber mit seiner jungen Familie in ein drei Quadratkilometer großes Grundstück. In der einsamen Hütte am See begann ein neues Leben – und die Transformation vom Aussteiger zum Schmuckdesigner. Erfolgreich wurde der 1949 in Schwäbisch Gmünd Geborene, weil seine legendären Stücke wie die Eistütenringe, die Vulkanbroschen oder die Serie Blub mutiger, moderner, origineller und witziger waren, als der damals auf dem Markt vorhandene Schmuck aus Gold und Platin mit farbigen Edelsteinen.

Aus purer Gestaltungslust entstand mitten in der ursprünglichen Natur ein Halsreif aus Holz. Irgendwann grub Spreng die beiden kleinen Goldbarren aus, die er unter seiner Hütte „für alle Fälle“ versteckt hatte. Eine Axt diente als Amboss. Mit einem ganz gewöhnlichen Hammer schmiedete er darauf einen breiten Halsreif aus Feingold. „Man ist nicht mehr ganz der Gleiche, wenn man ein solch außergewöhnliches Schmuckstück anlegt“, erinnert sich Spreng. Der archaische Halsreif aus Feingold ist heute ein unverkäufliches Dokument des Neubeginns. Am Anfang glaubte Spreng, man könne Schmuck nur für sich selbst machen – oder höchstens für jemanden, den man sehr gut kenne. Ihn reizte jedoch zu hören, was andere zu seinen Stücken sagten. „Ich wollte testen, wie das im Markt ankommt.“ Diese Neugierde führte ihn mit seiner vierköpfigen Familie zwangsläufig wieder zurück nach Deutschland. Spreng, der sich als „bunten Vogel“ bezeichnet, trat auf Messen und Ausstellungen auf. Nicht in Schwarz oder Grau, wie damals für Designer üblich, sondern in knallig farbiger Kleidung, die er für sich und für alle seine Mitarbeiter entwarf.

Bleibt die Frage, was er 1983 mit seiner Familie gesucht habe in der kanadischen Einsamkeit. „Wir wollten uns auf das Nötigste reduzieren und das Einfachste, aber auch das Schönste entdecken.“ Nach diesem Prinzip bestellte die Familie einen Garten, baute ein Haus, mahlte Korn, backte Brot, schreinerte und machte Kleider. Auch begann Spreng zu malen und Schmuck zu machen. Da sei auch ein Stück weit der Wunsch nach Selbstverwirklichung dabei gewesen und die Suche nach Wahrhaftigkeit, erklärt er heute.

Bei seinem Designstudium an der FH Schwäbisch Gmünd wurde Spreng zwangsläufig mit den Idealen konfrontiert, die an der Hochschule für Gestaltung in Ulm entwickelt und in der Folge an allen deutschen Designakademien gepredigt wurden. Auf die Frage, ob die Sehnsucht nach dem Einfachen und Notwendigen, die er auch in der kanadischen Einsamkeit gesucht hatte, nicht im Widerspruch zu Schmuck stehe, antwortet Spreng: In Ulm habe man an eine Utopie geglaubt, die von der Realität überholt wurde. „Heute geht es in der Produktgestaltung doch nur noch selten um gesellschaftliche Relevanz und Nützlichkeit. Viele Designer müssen sich dem puren Profitstreben unterwerfen – manchmal soll der Deckmantel des technischen Fortschritts herhalten.“ Der Schmuckdesigner hofft, dass dieses immer Schneller-Größer-Weiter-Denken bald abgelöst wird durch die Hinwendung zu naturverträglichen und substantiellen Produkten, die echte, tiefe Gefühle befriedigen. „Schmuckstücke gehören zu den wichtigsten Artefakten, die von vergangenen Kulturen übrig bleiben. Der kleine Löwenmensch aus Mammutelfenbein von der Schwäbischen Alb gibt uns eine Vorstellung, was die Steinzeitmenschen vor rund 35.000 Jahren bewegt hat.“ Das Gleiche gelte für den Schmuck der Kelten oder Etrusker. Schmuck, wie er und andere moderne Goldschmiede ihn verstünden, gehörten zu den substanziellen Kulturgütern, erklärt Spreng.

Und so macht er mit Herzblut und Leidenschaft Schmuck mit einer „an Verrücktheit grenzenden Begeisterung für die schönsten Farbsteine.“ Größte Sympathie hegt er auch für radikale künstlerische Konzepte. „Schmuckkunst, die aus der Seele kommt, darf auch ganz schrill sein.“ Doch wenn man für seine Arbeit jemanden finden will, der damit ganz persönliche Emotionen verbinden möchte, dann müsse das Schmuckstück diesen Spielraum auch ermöglichen. „Es muss individuell interpretiert und mit den Gefühlen des Trägers besetzt werden können. Dies verlangt vom Gestalter auch etwas Bescheidenheit.“

Text Reinhold Ludwig
Fotos Janusch Tschech
Georg Sprengs Homepage
Erschienen in Art Aurea 1–2014