Das Lebenswerk einer Künstlerin, eines Künstlers, ist oft gleichbedeutend mit seinem Gesamtwerk, wohlklingender auch Œuvre genannt. Es beinhaltet alle im Lauf des Lebens produzierten Arbeiten, seien es nun Bilder, Skulpturen, Filme, Texte, Schmuck, Musik, usw. Ansonsten zählen zum Lebenswerk meist mehrere Bereiche menschlichen Strebens, die im Idealfall ein Ganzes ergeben, auf das die Betreffenden am Lebensende stolz sein können und auf das die Nachwelt anerkennend oder besser noch dankbar (zurück)blickt.
Dies gilt auch für die Lebenswerke von Kunstsammler:innen, die sich selten in den erworbenen Werken erschöpfen. Ist Sammeln doch meist eine (Neben)tätigkeit, die mit anderen Wirkfeldern verbunden ist. So ist etwa Laura Borghis Sammlung antiker und zeitgenössischer Keramik verknüpft mit ihrer Galeriearbeit und ihrer Werkstatt, in der Arbeiten für Künstler:innen und Designer:innen gefertigt werden und Workshops stattfinden. Gerade läuft die Ausschreibung für den Officine Saffi Award, der alle zwei Jahre das Interesse der Öffentlichkeit auf die keramische Kunst lenkt. Laura Borghi hat Katharina Perlongo nicht nur die Türen ihrer Galerie und Werkstatt geöffnet, sondern auch ihrer stilvollen Wohnung in Mailand.
Das Lebenswerk von Marion Delarue ist noch im Entstehen. Denn die französische Schmuckkünstlerin ist erst 36 Jahre alt. Doch sind längst deutliche Konturen erkennbar: Das unbefangene Spiel mit der Irritation zwischen Natur und Künstlichkeit, zwischen Authentizität und Nachahmung. Die Auseinandersetzung mit den Begriffen Fake, Imitation und Fälschung. Am Ende stehen immer handwerklich und ästhetisch vollendete Stücke, auch wenn dabei einige Haustiere Federn lassen müssen. Ein Beitrag von Julie Metzdorf.
„Ich lebe noch!“, erklärte Paul Derrez einmal, während wir die Bilder für seinen Beitrag Kettenreaktion auswählten. Zwischen 1976, der Gründung seiner Galerie Ra in Amsterdam, bis zur Schließung 2019 setzte sich Paul Derrez für zeitgenössischen Autorenschmuck und Silberschmiedekunst ein. Für seine Verdienste im Schmuckbereich wurde er sogar 2021 vom niederländischen König Willem Alexander zum Offizier des Ordens von Oranje-Nassau ernannt. Zur Abrundung seines Lebenswerks arbeitet er aber noch regelmäßig am Werktisch, um Schmuck und kunstvolle Objekte zu schmieden.
Das Lebenswerk von Elisabeth Bähr und ihres Partners Lindsay Frost begegnet uns als 2755 Gramm schweres Druckwerk. Auch hier ging eine langjährige Galeriearbeit voraus, und zwar für die zeitgenössische indigene Kunst Australiens. Auf 494 Seiten hat das Paar nun den aktuellen Stand ihrer Forschung umfassend dokumentiert, mit prächtigen Bildern und fundierten Texten. Die Besprechung von Henriette von Holleuffer.
Eine internationale Kunstgalerie zu etablieren, kann ohne weiteres als Lebenswerk durchgehen. Jörg Johnen ließ es nicht dabei bewenden. Nachdem er 2015 die Johnen Galerie seiner Berliner Kollegin Esther Schipper überantwortet hatte, schrieb er Bücher, widmete sich seiner Kunstsammlung und stiftete jüngst rund 60 Werke dem Lenbachhaus in München. Doch Jörg Johnen hat nicht nur mit großem Sachverstand Malerei, Installationen und Fotografie gesammelt, sondern auch Keramik. In der Ausstellung Fragment of an Infinite Discourse ist nun alles auf wunderbare Weise vereint, ab Seite 80. Dies ist nichts weniger als ein Meilenstein für das Denken über die Grenzen von Kunstgattungen hinweg, für das wir uns seit der Gründung von Art Aurea 1985 einsetzen.
Arts Crafts World – diesmal mit Schmuck, Gerät und Glas
Eingeladen, eine Künstlerin oder einen Künstler vorzustellen, haben wir diesmal den Galeristen Noel Guyomarc’h aus Montreal in Kanada. Seine Wahl fiel auf den deutschen Schmuckkünstler Alexander Blank, der sich mit seinen neuen Arbeiten En Vague von der Thematik früherer Jahre gelöst hat.
Dr. Christianne Weber-Stöber, Gesellschaft für Goldschmiedekunst, Deutsches Goldschmiedehaus Hanau, stellt Isabelle Enders vor. Die Nürnberger Silberschmiedin verstehe es hervorragend, Alltagsgeräte zur Koch- und Esskultur in einem völlig neuen Kontext zu sehen und diese zu hinterfragen. Mit ihren originellen Salz- und Pfeffermühlen verwandele sie einen Gebrauchsgegenstand zum Eyecatcher, argumentiert Weber-Stöber. Die Ausstellung „Isabelle Enders. Werkschau“ ist noch bis zum 15. Oktober 2023 im Goldschmiedehaus zu sehen.
Dr. Helena Horn, ArtLight Magazine, Quedlinburg, sprach sich für den in München lebenden Thierry Boissel aus. Der in Frankreich geborene Künstler arbeite mit Licht, aber Glas sei sein Werkstoff, erklärt Helena Horn. „Die Reduktion auf Licht und Farbe mit Brechungen, Überlagerungen und Spiegelungen erzeugen choreografierte Kompositionen im Kontext zum Raum – zur Architektur.“ Zu bewundern in zahlreichen Kirchen und anderen öffentlichen Räumen.
Neu! In jeder Ausgabe erfüllen wir zukünftig den Wunsch einer Leserin oder eines Lesers in der Serie „Arts Crafts World“. Schreiben Sie uns, wen Sie in dieser Rubrik sehen möchten, und begründen Sie Ihre Wahl kurz mit etwa drei Sätzen. Wir freuen uns über Ihre Vorschläge an info@artaurea.de.
Review – Ausstellungen und Preise, die Kunst und Handwerk vereinen
In ihrer Jubiläums- Ausstellung „Weißer Raum – Fragmente der Unruhe“ zeigt die Galerie Göttlicher aus Krems-Stein Glaskunst und Installationen von Anne Petters. „Duftige Wolken, wie aus Eiskristallen konstruiert, deren zarte Transparenz in extremem Widerspruch zu dem Material steht, aus dem sie geformt sind: Glas, harte, kristalline Materie, hauchdünn gewalzt, mithilfe von Formen und Modeln beschriftet, bezeichnet, mit Inhalt aufgeladen.“ So die Publizistin Dr. Maria Rennhofer in ihrem Beitrag für Art Aurea.
2 700 Kunsthandwerker:innen aus 117 Ländern und Regionen bewarben sich um den Craft Prize der Loewe Foundation 2023. Die 30 Finalisten repräsentieren 16 Länder und Regionen aus der ganzen Welt und arbeiten in Keramik, Holz, Textil, Leder, Glas, Metall, Schmuck und Lack. Eriko Inazaki erhielt für eine filigrane Keramikskulptur den mit 50.000 Euro dotierten Preis. Die Sonderpreise gingen an Dominique Zinkpè, Benin, und Moe Watanabe, ebenfalls Japan.
Die Ausstellung „Simply Radical“ von Margareta Daepp im Musée Ariana zeigt Keramiken, die nach funktionellem Produktdesign aussehen. In Wirklichkeit stellen viele der Werke jedoch Fragen, etwa nach der Form als Sinn- oder Gedächtnisträger oder als Träger ästhetischer Normen. Zudem verbindet die Schweizerin in ihren oft monochromen Kunstwerken orientalische und fernöstliche mit minimalistischen, westlichen Vorstellungen. www.artaurea.de/2023/simply-radical
Rückblick auf die Ausstellung von Ute Kathrin Beck in Schwäbisch Gmünd. Die Solo-Show in der Galerie im Prediger 2023 war Teil des Baden-Württembergischen Staatspreises 2022, wobei die Zwölf Apostel der Stuttgarter Keramikkünstlerin ausgezeichnet wurden. Den Text dazu schrieb die Kunsthistorikerin Schnuppe von Gwinner aus Leipzig.
Fragment eines unendlichen Diskurses. Die Ausstellung im Lenbachhaus München ist wie bereits oben erwähnt auch ein Meilenstein für die Gleichrangigkeit von Kunstgattungen.
Den Abschluss des Review-Teils und der Herbstsausgabe von Art Aurea 2023 macht ein Vorbericht zum 2. Art Salon Zürich. Die Kunstmesse spricht auch ein jüngeres Publikum an und ist auch für Keramikkunst und ähnliche Disziplinen offen.
Die Herbst-Ausgabe hat inklusive Umschlag 92 Seiten und ist erhältlich in führenden Galerien und Geschäften für 12 Euro (EU 14 euros). Bestellungen per Mail an artaurea@pressup.de.
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