Wer kennt sie nicht, die Gemälde des Mailänder Renaissancemalers Giuseppe Archimboldo (1527 –1595). Die spektakulären Porträts sind wie Collagen aus Gemüse, Getreide, Obst, Fischen, Büchern oder Körben zusammengesetzt. Sein exzentrisches, humorvolles Werk war an Adelshöfen sehr geschätzt und in Kunst- und Wunderkammer eine willkommene Ergänzung. Jahrhundertelang verschwand die Collage aus dem Blickfeld, bis Dadaisten und Surrealisten dem Genre neues Leben einhauchten. Seitdem hat sich die Collage als eigenes Kunstgenre entwickelt.
Wietske van Leeuwen, geboren 1965 in Rotterdam, widmet sich in ihrer Keramik seit über 30 Jahren bevorzugt naturalistischen Assemblagen. 1993 schloss sie ihr Keramikstudium an der Amsterdamer Gerrit Rietveld Academy ab, die von Jan van der Vaart (1931–2000) geleitet wurde. Damals waren noch persönlicher Stil und technische Perfektion gefragt. Heute ist das Kunsthandwerk völlig aus der Ausbildung verschwunden. Das Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam erwarb sehr früh Arbeiten von Wietske van Leeuwen. Die Amsterdamer Galeristin Carla Koch (1949–2022) vertrat sie bis zu ihrem Tod.
Wietske van Leeuwens Großvater hatte eine Muschelsammlung, die sie schon als Kind begeisterte. Die Liebe zu Pflanzen stammt von ihrem Vater, der aus dem riesigen Garten ihres Elternhauses ein Paradies gemacht hatte. Muschelschalen verwendet die Keramikerin gerne, „weil sie fächerförmig sind und sich schön symmetrisch zusammenfügen.“ Ähnliches gilt für spitz zulaufende Schneckenhäuser, die das Wachstum in der Natur zeigen.
Eine wichtige Inspirationsquelle fand Wietske van Leeuwen im Kubismus von Pablo Picasso (1881–1973) und Juan Gris (1887–1927) sowie Dadaisten wie Kurt Schwitters (1887-1948) und den Surrealisten Max Ernst (1898–1976) und René Magritte (1898–1967). Doch auch bei zeitgenössischen Künstlern wie Rhonda Zwillinger und herman de vries sowie der Keramik von Claire Parington, Carolein Smit und Paul Young, der Kleidung von Dries van Noten und der Inneneinrichtung von David Hicks.
Zunächst fertigt die Keramikerin Gipsformen an, wobei sie Muscheln, Schneckenhäuser, Zitronen und Paprika, aber auch gewickelte Seile, die Stängel von Bärenklau und Stile von Römergläser abgießt. Stets sind es Dinge aus ihrer Umgebung, zum Beispiel eine Artischocke aus ihrem Schrebergarten. „Wenn ich bei einem Spaziergang etwas finde, verwende ich es. Manchmal greife ich auch auf eine alte Gipsform zurück. Die habe ich fast alle noch, auch von vor 30 Jahren.“ Die Innenseite wird mit der gleichen Hingabe wie die Außenseite und der Boden bearbeitet.
Wietske van Leeuwen veredelt ihre Objekte mit leuchtend farbigen, transparenten Glasuren und dünn eingeriebenen rostbraunen Engoben. Jedes Stück wird mehrmals gebrannt. Wenn es aus dem Ofen kommt, gibt es oft überraschende Ergebnisse, die sich nicht wiederholen lassen. Immer wieder werden neue Farbkombinationen ausprobiert: Es darf nicht langweilig werden. Manche vergleichen ihre Arbeiten mit Patisserie, etwa einer Saint-Honoré-Torte oder einer Croque en Bouche mit vielen Puffs. Vielmehr handelt es sich um Tafelaufsätze, die als Conversation Pieces dienen. Wenn ihr ein Werk nicht gefällt, folgt ein Hammerschlag oder es landet auf dem Gartenweg „like a Boulevard of Broken Dreams.“ Thimo te Duits
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