Timeless Silver

Meisterwerke der Silberschmiedekunst im Museum im Prediger.

Die Sonderausstellung „Timeless Silver“ im Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd vom 23. Oktober 2022 bis zum 10. April 2023 rückt die Vorzüge, die Vielseitigkeit und die visuellen Eigenschaften des Edelmetalls in den Fokus. In sechs thematisch gegliederten Kapiteln treten über 80 Meisterwerke der historischen und zeitgenössischen Silberschmiedekunst in einen epochenübergreifenden Dialog und erzählen ihre Geschichten als Auftragsarbeiten oder als außergewöhnliche, künstlerische Schöpfungen. Den Kern der Ausstellung bilden kunstgewerbliche Werke der Sammlung des Gmünder Museums. Dazu wertvolle Leihgaben der Helga Matzke KG, sowie aus musealen Sammlungen und Privatbesitz. In der weiteren Unterstützung durch das Forschungsinstituts Edelmetalle + Metallchemie (fem) verbindet die Ausstellung technische Innovationen mit künstlerischem Ehrgeiz, um einen neuen Blick auf das glanzvolle Material zu eröffnen.

Kreuzreliquiar in Form eines Kalvarienbergs, Ulm, 1440/1450 Silber, vergoldet, Emaille, Kupfer, vergoldet, Amethyst, Kreuzpartikel, H 82 cm. © Museum im Prediger, Schwäbisch Gmünd. Foto Jens Bruchhaus.

Die Ausstellung untersucht die verschiedenen Techniken der Silberschmiedekunst bei der Formgebung und künstlerischen Ausarbeitung im Hinblick auf die Texturen und Strukturen von Oberflächen. Dabei wird die Kontinuität historischer Arbeitsverfahren bis in die Gegenwart beleuchtet. Techniken wie Gießen, Ziselieren, Punzen, Vergolden, Gravieren und Ätzen können studiert werden. Die Ausstellung soll ein Qualitätsbewusstsein für die charakteristischen Merkmale der Produktion in den kunsthandwerklichen Zentren Mitteleuropas in der frühen Neuzeit vermitteln. Zu sehen sind ausgewählte Stücke aus Augsburg, Nürnberg, Ulm, London und Paris.

Wilhelm Widemann (1856–1915), Tafelaufsatz Triton mit Meeresnymphe, Frankfurt a. M., um 1890, © Museum im Prediger, Schwäbisch Gmünd. Foto Jens Bruchhaus.

Das erste der auf sechs Kapitel ausgelegten Ausstellung widmet sich dem Geist, den Schwäbisch Gmünd als Stadt der Gold- und Silberwarenproduktion geprägt hat. Ein Markstein war die Gründung des Kunstgewerbemuseums 1876, das mit dem Erwerb mustergültiger Vorbilder und dem Sammeln von stilgeschichtlich relevanten Stücken aus Metall das Fundament für den Sammlungsbestand legte. Ausgesuchte Stücke daraus bilden den Kern der ersten Abteilung. 

Michael Mair (Meister um 1677, gest. 1714), Strahlenmonstranz, Augsburg, 1695–1700, Silber, teilvergoldet, Glassteine; Renaissance-Anhänger: Gold, Emaille, Smaragde, Rubine, Perlen, H 118 cm. © Museum im Prediger, Schwäbisch Gmünd. Foto Jens Bruchhaus.

Um das Thema der Oberflächenveredelung und Abformung von Edelmetallobjekten auf galvanischem Wege geht es im zweiten Kapitel. Dazu sind Meisterwerke der galvanoplastischen Nachbildung zu sehen, darunter die „Pompejan Lady“-Platte der Firma Elkington & Co. in London und von der Firma Christofle & Cie. in Paris das Prunkstück des Hildesheimer Silberschatzes, die Minerva-Schale. Daneben ist eine prachtvolle, in Gold und Goldfiligran gearbeitete Kugel aus dem frühkeltischen Fürstinnengrab von der Heuneburg zu bewundern, die vom Forschungsinstitut Edelmetalle + Metallchemie (fem) mit einem speziellen 3D-Röntgen-Computertomographen analysiert wurde. 

Herausragende Werke vom frühen 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart beleuchten im dritten Ausstellungskapitel die Vielfalt technischer Möglichkeiten für Formgebung, Design und Dekor. Warum Nürnberg im 16. und 17. Jahrhunderts ein Zentrum von europäischem Rang war, dokumentieren zwei Meisterwerke der Silberschmiedekunst, die als Leihgaben des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg zu sehen sind: zum einen ein Paar in den Wandungen fein gravierter Sturzbecher der Nürnberger Patrizierfamilie Tetzel, die um 1610 in der Werkstatt von Hans Pezolt entstanden und das brillante künstlerisch-handwerkliche Können des Meisters bezeugen. Zum anderen ein vergoldeter Tulpenpokal aus dem Jahr 1673 von Sigmund Bierfreund, dem die Silberforschung den sprechenden Namen des „Meisters der Tulpenkuppen“ gegeben hat. 

Hans Pezolt, (Meister 1578, gest. 1633), Zwei Sturzbecher der Familie Tetzel, Nürnberg, um 1610, Silber, vergoldet, getrieben, gegossen, graviert, geätzt, H 18,1 cm und 27,7 cm. © Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg. Foto Monika Runge.

Welch außergewöhnliche Farbwirkungen sich mit Silber im Dialog mit anderen Metallen, mit farbigen Steinen und Emaille erreichen lassen, vergegenwärtigt das vierte Kapitel. Prunkemails von Wilhelm Widemann belegen, wie aus der Kombination von emaillierter Metallplastik mit Naturmaterialien fantastische Kunstwerke entstehen können. Vergoldungen, Metalleinlagen (Niello) und Gravierungen zeigen sich exemplarisch an einem von der Firma F. Nicoud in Paris hergestellten und 1878 vom Gmünder Kunstgewerbemuseum erworbenen Becher. Daneben zeichnen leuchtend blaue Emailstreifen und exquisite Jugendstilornamentik eine Silbervase aus, die von Archibald Knox, 1864–1933, für das Kaufhaus Liberty entworfen und 1908 in London vom Gmünder Kunstgewerbemuseum erworben wurde. Ein durch Ätzung bearbeiteter Becher des Münchner Silberschmieds Peter Bauhuis, 1965 lässt kaum noch an Silber denken.

Archibald Knox (1864–1933), Vase, Birmingham, 1906, Sterlingsilber, teilvergoldet, Email, H 14,1 cm. © Museum im Prediger, Schwäbisch Gmünd. Foto Jens Bruchhaus.

Der faszinierenden, Licht und Schatten erzeugenden Wechselwirkung von hochglanzpolierten Flächen mit plastisch gestalteten und ornamentierten Teilen widmet sich das fünfte Kapitel mit Silber aus Barock, Empire und Moderne. 

Ausstellungsinstallation Timeless Silver mit Arbeiten von Rolf Poellet, Bossa Nova Mystery, Frankfurt a. M., 2022, Dong-hyun Kim, Kanne „Watering X“, Goyang, Südkorea, 2022, Franz Anton Lang (Maria Immaculata, Augsburg, 1755–1757. © Museum im Prediger und Künstler. Foto Frank Kleinbach.

Wie sich Positionen der zeitgenössischen Kunst in die Ästhetik des Silbers einschreiben, das untersucht „Timeless Silver“ im sechsten Raum. Themen sind die visuelle Auflösung von Materialität in Licht, Reflexionen, Spiegelungen und Monochromie. Speziell für die Ausstellung entstand in enger konzeptioneller Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Künstler Rolf Poellet, 1962, ein durch Inszenierung und Intermedialität körperlich erfahrbarer Raum, der vielfältige Dialoge und Assoziationen ermöglicht. Poellet fertigte die 316-teilige Arbeit „Bossa Nova Mystery“. Die alle vier Wände umspannende Malerei transformiert den bildlichen Illusionsraum in ein Raumbild, wodurch der Raum zum Bild und das Bild zum Raum wird. Poellets Arbeit ist nicht nur Hintergrund, sondern reflektierender Bezugsrahmen zu einer spätbarocken Maria Immaculata des Augsburger Silberschmieds Franz Anton Lang (Meister 1752, gest. nach 1769), Werken der Op Art-Künstler Adolf Luther (1912–1990) und Heinz Mack (*1931), einer von Claudia Wieser (*1973) eigens zur Ausstellung gefertigten Spiegelarbeit und einer Kanne des südkoreanischen Silberschmieds Dong-hyun Kim, 1978, die ebenfalls speziell für die Schau entstand und in ihrem zeitlosen Design das Ausstellungsthema verkörpert. Im Spannungsfeld von Realität und Abbild, physischer Präsenz und Projektion ermöglicht der Raum ästhetisches Erlebnis und Reflexion als besondere Erfahrungskategorien.

Ein reich bebilderter Katalog (200 Seiten, dt./engl., 39 Euro) begleitet die Ausstellung. Alle Silberarbeiten mit ihren jeweiligen Beschau- und Meisterzeichen sind dargestellt. Ein umfangreiches Begleitprogramm bietet vielfältige Möglichkeiten zur Vertiefung. 

  • Museum im Prediger
    Johannisplatz 3
    73525 Schwäbisch Gmünd
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