Eigentlich war der Beitrag „Mit Stich und Faden“ auf Seite 40 gar nicht vorgesehen. Doch machte das neue Coronavirus auch ein Teil unserer Planung zu Makulatur. Miriam Künzli musste ihren Phototermin bei dem Schweizer Keramiker Arnold Annen in Basel ebenso streichen wie Rüdiger Joppien sein Interview bei Heinz-Joachim Theis vom Berliner Keramikmuseum. Doch passt die Geschichte über die stickenden Expressionisten und die Renaissance der Stickkunst in der Gegenwart gut zur aktuellen Situation. Nicht nur, weil einige KünstlerInnen jener Epoche auch die Spanische Grippe erlebten. Die damalige Pandemie fand in drei Wellen zwischen 1918 und 1920 statt und forderte – bei einer Weltbevölkerung von 1,8 Milliarden – zwischen 27 und 50 Millionen Menschenleben. August Macke und Franz Marc erlebten sie nicht mehr, sie starben mit neun Millionen anderer Soldaten im 1. Weltkrieg.
Dass in einer solch katastrophalen Zeit visionäre Ideen und eine Kunst entstand, die bis heute begeistert, sollte Mut machen. Zumal das Ansinnen der Expressionisten, die Kunst mit dem Leben zu verbinden, weiter aktuell bleibt, ebenso wie die vollkommene Gleichstellung der Frauen und auch der Männer – damit jeder unbeschwert sticken darf, der Lust dazu verspürt.
Der bayerische Künstler Florian Lechner fand seine Lebensaufgabe bei einer Wallfahrt zur Kathedrale in Chartres. Tief berührt von den gotischen Glasfenstern nahm er sich vor, moderne Varianten für lichtdurchflutete Räume zu schaffen (Seite 10). Mit Glas verwandt ist das Material, dem sich Jamie Bennett seit seinem Kunststudium widmet. Der Amerikaner beschäftigt sich seit 50 Jahren mit Emaille und zaubert Muster und Farben auf Schmuckstücke, die an Naturformen, Kalligraphie oder auch islamische Ornamente erinnern (Seite 20).
Scheinbar zufällig fing Gabi Veit aus Bozen in Südtirol vor einigen Jahren an, Löffel zu sammeln. Daraus entstand ein künstlerischesProjekt, das sie auch während der Corona-Krise fortführte. Nämlich selbst L.ffel zu machen, immer wieder überraschend, voller Magie und manchmal auch richtig gefährlich aussehend. Unser Interview dazu ab Seite 30.
Schon traditionell besprechen wir den Loewe Craft Prize, der inzwischen zum vierten Mal durchgeführt wurde, auch wenn die Preisvergabe wegen Covid-19 auf 2021 verschoben werden musste. Warum dieser internationale Preis so wichtig für die Angewandte Kunst ist, lesen Sie ab Seite 52.
Wie könnten alternative und doch gut gestaltete Produkte und Arbeitsformen in einer ökologisch verantwortbaren Wirtschaft aussehen? Dazu geben Nicola Burggraf und Elena Burggraf-Reusch eine überzeugende Antwort. Die Zwillinge fertigen elegante, nachhaltige Taschen und Rucksäcke aus Korkleder und werden damit ziemlich sicher die Krise überleben (Seite 70). Dies wünschen wir Ihnen allen. Denn authentische Werkstätten, Manufakturen sowie ihre Händler und Galeristen bleiben wichtig für eine humanere Welt – ebenso wie alle KäuferInnen, die solche Produktionen jetzt und zukünftig am Leben erhalten.
Art Aurea Nr. 40 (das zweite von insgesamt vier Heften in diesem Jahr) ist ab 9. Juni 2020 in führenden Galerien und im Bahnhofsbuchhandel erhältlich. 88 Seiten + 4 Seiten Umschlag, Einzelverkaufspreis 12 Euro. International 14 Euro. Oder abonnieren Sie jetzt hier.