Nicht selten offenbart sich erst in der Gegenüberstellung zweier scheinbar unterschiedlicher Werke eine subtile innere Verbindung. Ein Beispiel bietet die aktuelle Ausstellung von Chiyoko Tanaka und Yasuhisa Kohyama bei Japan Art, die noch bis 14. Dezember 2019 zu sehen ist. Mit seinen frei aufgebauten Vasen, gebrannt im selbstkonstruierten Anagama-Ofen [Einkammerofen für den japanischen Holzbrand], zählt Yasuhisa Kohyama seit langem zu den bedeutendsten Künstlern seines Landes. Die geistige Nähe des 1936 in Shigaraki geborenen Keramikers mit der fünf Jahre jüngeren Textilkünstlerin wurzelt in der Kunsttradition eines Landes, in dem es nie die strikte Trennung von Gebrauchs- und freier Kunst wie im Westen gab. Des weiteren in der sensiblen Einbeziehung von Natur- und Zeitphänomen. Während sich in den textilen Wandobjekten Chiyoko Tanakas jedoch eine Offenheit zu Strömungen westlicher Gegenwartskunst zeigt, erwächst Yasuhisa Kohyamas Werk weitgehend aus der reichen Kunsttradition seines Heimatlandes.
Deborah Klochko, die Direktorin des Museums für Fotokunst in San Diego, schlägt vor, die Arbeiten des Keramikers „im Vergleich zu monumentalen Naturwundern wie Uluru in Australien oder Antelope Canyon im amerikanischen Südwesten zu bewerten.“ Wir seien mit diesen Orten mit der gleichen Kraft und emotionalen Resonanz verbunden, die man in Kohyamas Keramik erleben könne. In diesen Arbeiten spüre man den Herzschlag der Erde . . . Ihren Text über Yasuhisa Kohyama begann Klochko mit einem Zitat des amerikanischen Mythologen Joseph Campell: „Das Ziel des Lebens ist es, seinen Herzschlag dem Puls des Universums anzupassen und sich mit der Natur in Einklang zu bringen.“ Es sind nicht nur die natürlichen Farben des Scherbens und die skulpturalen, teils durch Schnitte und Ausschabungen erzeugten Formen, die solch poetische Deutungen erlauben. Auf Felsmonumente, von Wind und Wetter geformt, oder das Spiel lodernder Flammen verweisen auch Namen wie „Kaze“ [Wind] oder „Homura“ [Flamme], die der Künstler einer Reihe von Vasenobjekten gegeben hat. Andere an die Tradition der Momoyama-Zeit (1573–1615) errinnernden Gefäße nennt Yasuhisa Kohyama hingegen „Danpen“ [Fragment] oder „Suemono“ [Antike Keramik].
Essenz der Realität
Chiyoko Tanaka wurde 1984 international bekannt durch ihre Serie „Grinded Fabric“. Um ihren von Hand gewebten Stoff zu „schleifen“ breitet ihn die Künstlerin auf dem Boden aus und reibt die Oberfläche mit einem Stein oder Ziegel ab. Mit dem Prozess des Schleifens und Reibens symbolisiert Chiyoko Tanaka den Lauf der Zeit, während der Stoff mit jeder Bewegung die Textur der Erde aufnimmt. Gleichzeitig wird das Gewebe durch das Schleifen abgenutzt und legt die von den Schussfäden verborgene Kette frei. „Tanakas Werk enthüllt die Essenz der Realität, die allzu oft von weltlichen Illusionen verdeckt wird“, erklärt Takeo Uchiyama, Direktor des Kunstmuseums in Kyoto, zu dem Bearbeitungsprozess.
In ihrer „Permeated Black-Serie“ färbte Chiyoko Tanaka einige Jahr später auf einen Zylinder gewickelt Fäden. Dadurch wurden die äußeren dunkler als die inneren. Durch die ungleichmäßig gefärbten und als Schuss eingesetzten Fäden weist das Tuch subtile Schwarzabstufungen auf. Das Zusammenspiel von Färben und Weben ist ein weiteres Beispiel von zeitlichen Verläufen im Werk der Künstlerin, die in Kyoto lebt und arbeitet. Nach Takeo Uchiyama ist ihre Arbeit auch von der Umgebung der ehemaligen Hauptstadt Japans geprägt: „In ihren Arbeiten sehe ich oft einen Blick auf alte Gebäude, etwa einen Raum für Teezeremonien.“ Tanakas intime Beziehung zur Natur habe ihr ein Bewusstsein für deren Tempo gegeben, das die Grundlage ihrer Arbeit bilde. Sich darauf in unserer schnelllebigen Zeit einzulassen, kann ein großer Gewinn sein.
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Japan Art - Galerie Friedrich Müller
Braubachstraße 9
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