Ob Design, bildende Kunst, Architektur oder Film, Friedrich Kiesler gelang es mühelos für die Verwirklichung seiner Ideen zwischen den Disziplinen zu wechseln. Sein interdisziplinärer künstlerischer Ansatz, sein Konzept eines endlos fließenden Raumes, seine Raumskulpturen und seine ganzheitliche Designtheorie des Correalismus zählen zu den großen Visionen des 20. Jahrhunderts und sind bis heute aktuell.
Die Karriere des 1890 in Chernowitz geborenen und 1965 in New York gestorbenen Friedrich Kiesler beginnt im Berliner Theater am Kurfürstendamm. Dort feiert er 1923 mit dem elektro-mechanischen Bühnenbild „Universal Robot“ den ersten großen Erfolg. Nur ein Jahr später sorgt die von ihm entwickelte „Raumbühne“ in Wien sowie das während der Pariser „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“ vorgestellte Modell einer frei schwebenden „Raumstadt“ für Furore. 1926 zieht er mit seiner Frau nach New York. Doch anstelle neuer avantgardistischer Projekte entwickelt er anfänglich Schaufenster, Geschäftslokale und ein neuartiges Filmtheater.
Ein Theater ohne Schauspieler
Neben Möbel- und Leuchtenentwürfen beginnt er in den 1930er Jahren wieder für das Theater zu arbeiten. Er entwickelt die Correalismus-Theorie, einen ganzheitlichen Designansatz, der auf wissenschaftlicher Analyse gründet und in dessen Mittelpunkt der Mensch steht. Vor allem im Theater ist es ihm möglich, visionäre Gestaltungsideen umzusetzen und in ein theatralisches Gesamtkunstwerk zu überführen. Inspiriert von flexiblen Architekturen des Alltags, schreibt er Manifeste gegen das starre Korsett traditioneller Bühnenkonzepte und plädiert für ein Theater, das die Idee des Räumlichen ins Zentrum stellt und experimentell erkundet. Doch führt Kiesler in der für ihn typischen Arbeitsweise seine Ideen über das Theater hinaus. Aus Bühnenrequisiten entwickelt er bewohnbare Skulpturen, aus dem „Endless-Theater“ die Idee des „Endless Home“, in dem die vorherrschenden Regeln rationaler Architekturprinzipien keine Gültigkeit haben. Das einzige von ihm errichtete Gebäude bleibt der Ausstellungsbau „Shrine of the Book“ in Jerusalem.
Unermüdlicher Netzwerker
»Der größte nicht-bauende Architekt seiner Zeit« (Philip Johnson) ist zeitlebens auch ein Künstler für Künstler, ein Netzwerker, der unermüdlich neue Bekanntschaften knüpft: von De Stijl in Europa, über die Surrealisten im New Yorker Exil, die Abstrakten Expressionisten bis hin zu den Künstlern der Pop Art. Ob Theo van Doesburg, Marcel Duchamp, Max Ernst, John Cage oder Andy Warhol – die Namen lesen sich wie das Who’s who der Kultur des 20. Jahrhunderts. Selbst sein Begräbnis im Dezember 1965 wird zu einem Kunstereignis mit einem Happening von Robert Rauschenberg.
Die erste umfassende Ausstellung in Berlin, dem Startpunkt seines Schaffens, liefert mit Modellen, Grafiken, Fotografien und Filmsequenzen ein ansprechendes Anschauungsmaterial, die gelungen den Reichtum des Kiesler’schen Gedankenkosmos darlegt.
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Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin
Deutschland - Mittwoch bis Montag 10–19 Uhr
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