Zu Beginn ihres Studiums hat Beate Kuhn (1927–2015) an der Werkkunstschule Darmstadt für Rosenthal elegante Gefäße entworfen. In ihren frühen gedrehten und bemalten Gefäßen sind noch Einflüsse der Maler Joan Miró und Paul Klee zu erkennen. 1957 zog sie ins hessische Düdelsheim und arbeitet in einem von ihrem Bruder, einem Architekten, erbauten modernen Atelier in der Nachbarschaft von Karl und Ursula Scheid, ebenfalls bedeutende deutsche Keramiker. Seitdem gelang es Beate Kuhn als erster Keramikerin in Deutschland ein umfassendes freies skulpturales Werk zu schaffen. Gleichermaßen blieb die bescheidene Künstlerin bis zu Ihrem Tod im Dezember 2015 der Keramikszene verbunden. Der folgende Nachruf von Gudrun Schmidt-Esters, Leiterin des Keramions in Frechen, erschien in der Frühjahrs-Ausgabe 2016 von Art Aurea. Lassen Sie sich einstimmen auf die sehenswerte Ausstellung im Grassimuseum in Leipzig!
Die Aufnahmen des Ateliers von Beate Kuhn machte Reinhold Ludwig im Mai 2016 mit dem Smartphone. Zukünftig wird hier der Keramiker Sebastian Scheid seine Werkstatt einrichten. Gegenüber liegt das Haus von Karl Scheid und seiner 2008 verstorbenen Frau Ursula, den langjährigen Nachbarn und Weggefährten von Beate Kuhn. Ein Beitrag über Karl Scheid, einen wichtigen Zeitzeugen deutscher Keramikkunst der Nachkriegszeit, erscheint in der Herbstausgabe von Art Aurea.
Ein Nachruf
Beate Kuhn war eine großartige Künstlerin! Wem fallen bei dem Gedanken an Beate Kuhn nicht sofort ihre einzigartigen Keramiken ein, diese unverkennbaren Montagen aus gereihten geometrischen Körpern, entstanden auf der Drehscheibe und überzogen mit sensibler Farbigkeit? Wie keine andere Künstlerin hat sie die Entwicklung der deutschen Unikatkeramik in der Nachkriegszeit bestimmt, als sie in der Mitte der 1960er Jahre die Beschäftigung mit der Gebrauchskeramik aufgab zugunsten einer Hinwendung zur Freien Kunst. Ihre Teilnahme an der Londongruppe, ihre Mitgliedschaften in der Gruppe 83 und im AIC belegen nicht nur ihr Interesse und Engagement für die keramische Entwicklung, sondern sind als Auszeichnungen ihrer künstlerischen Qualität zu verstehen. Die Vielzahl der ihr verliehenen Preise unterstreicht diese Anerkennung.
Aus einem musisch-künstlerischen Elternhaus stammend, scheint die künstlerische Laufbahn von Beate Kuhn nahezu vorherbestimmt. Nach einem Studium an der Werkkunstschule in Wiesbaden und ihrer Werkstattgründung 1957 in Düdelsheim entwickelte sie ihren eigenen unverkennbaren Stil. Dort lebte die Künstlerin in direkter räumlicher Nähe zu Karl, Ursula und später Sebastian Scheid, in einer von tiefer Freundschaft getragenen Atmosphäre voller produktiver Kreativität. Hier entstanden ihre freien Plastiken aus einzelnen gedrehten und geschnittenen Elementen, die sie zu einem Ganzen zusammensetzte. Dieses Stilprinzip der Reihung geometrischer Körper übertrug sie ebenfalls auf ihre Entwürfe großer keramischer Brunnenanlagen. Immer wieder entwickelte Beate Kuhn neue Möglichkeiten, gedrehte Hohlkörper in bisher nicht angewandter Weise zu kombinieren. Dynamik kennzeichnet zunehmend ihre Stücke, die sich thematisch in Bewegung, Rhythmus und Veränderung ausdrückt.
Begleitet wurde Beate Kuhns künstlerische Entwicklung von begeisterten Sammlern, die die handwerkliche Könnerschaft und die Fantasie der Künstlerin bewunderten und über die ständig veränderten Variationen montierter Drehsegmente staunten. So wurden die markanten Stücke von Beate Kuhn zu begehrten Objekten, die heute in keiner bedeutenden Sammlung fehlen. Bei dem Gedanken an Beate Kuhn fällt mir auch der angenehm bescheidene Mensch ein, der für seine Kunst lebte, mit hohem Anspruch an sich selbst und ohne Allüren freundlich und herzlich seinen Mitmenschen zugewandt war, der mit leisem Humor und mit wachen Augen seine Umwelt wahrnahm, sich von der Natur und der modernen Musik immer wieder neu inspirieren ließ.
Liebe Beate Kuhn, ich freue mich, dass ich Sie während der Vorbereitung unseres gemeinsamen Ausstellungsprojektes als sehr klugen, einfühlsamen und engagierten Menschen habe näher kennenlernen dürfen! Wir danken Ihnen für Ihr hervorragendes, einzigartiges Werk! Sie werden uns fehlen! Erfreuen dürfen wir uns aber weiterhin an Ihren vielen wunderbaren Arbeiten. Mag das den Verlust mildern.
Text Gudrun Schmidt-Esters (Museumsleiterin des Keramion in Frechen)
- —
-
Grassi
Museum für Angewandte Kunst
Johannisplatz 5-11
04103 Leipzig - Link