Ceramix – Comeback eines Materials

Keramik in der Kunst von Rodin bis Schütte. Große Ausstellung im Maastrichter Bonnefantenmuseum noch bis Ende Januar 2016

Töpfern ist eine faszinierende Technik. Geradezu ideal, um seiner Kreativität im sinnlichen Prozess des Gestaltens Ausdruck zu verleihen. Weil dies viele Hobbykünstler auf den Plan ruft und Keramik zudem noch in Gebrauchsobjekten massenhaft verbreitet ist, hatte es das Material in der Kunst nicht immer ganz so leicht. Über Jahrhunderte genossen Marmor, Bronze und später sogar Stahl eine deutlich höhere Wertschätzung bei Künstlern und deren Publikum. Keramik hingegen verstaubte lange Zeit beispielsweise als Tafelgeschirr in der Vitrine, um ab und zu hervorgeholt, mit Festtagsbraten beschmiert und mit Silberbesteck traktiert zu werden. Das war nicht immer so: Lange bevor Gefäße gedreht wurden, haben Menschen Kleinplastiken aus Lehm hergestellt – das berühmteste Beispiel ist wohl die circa 30.000 Jahre alte Venus von Dolní Věstonice.

Paul Gauguin, kleiner Blumenbehälter, 1886-1888. 15 x 7 x 12 cm
Paul Gauguin, kleiner Blumenbehälter, 1886-1888. 15 x 7 x 12 cm
Jessica Harrison, <em>Painted Lady 4 </em>, 2014
Jessica Harrison, Painted Lady 4 , 2014

Während Keramik in Japan schon immer höchste künstlerische Wertschätzung genossen hat, erlebt das Material auch in der westlichen Kunst seit langem ein Comeback. Dies beweist zur Zeit die Ausstellung im Maastrichter Bonnefantenmuseum. „Der Einsatz von Keramik in der Bildhauerkunst entwickelte sich im 21. Jahrhundert beträchtlich und hat die Kunstwelt sehr stark geprägt“, heißt es im Einführungstext. Noch bis zum 31. Januar 2016 werden unter dem Titel Ceramix – Art and Ceramics from Rodin to Schütte Arbeiten von 100 modernen und zeitgenössischen Künstlern gezeigt, darunter Malereien (!), Skulpturen, Installationen und Arbeiten in Mischtechnik.

Basler Maske von Thomas Schütte

Thomas Schütte, Basler Maske, 2014

Picasso, Matisse und Ai Weiwei – sie alle nutzten und nutzen das Material für ihre Arbeiten. Der Bildhauer und Zeichner Thomas Schütte, auf den bereits im Titel der Schau verwiesen wird – fing gegen Ende der 1980er an, mit Ton zu arbeiten. Bald sollte der natürliche Werkstoff einen prominenten Platz in seinem vielseitigen Oeuvre einnehmen. Seit den 1990ern ist der menschliche Körper, oft monumental, Mittelpunkt seiner Arbeit. Später fokussierte er sich zunehmend auf männliche Köpfe und weibliche Körper. Schütte nahm an der Documenta IX 1992 teil und an der Kunstbiennale in Venedig 2005.

In der Maastrichter Ausstellung, die sowohl thematisch als auch chronologisch gegliedert ist, wird Schütte ein ganzer Saal gewidmet. Weitere monografische Säle bespielen Katinka Bock, Johan Creten, Eduardo Chillida und Antoni Tàpies, Leiko Ikemura, Klara Kristalova, Luigi Ontani und Elsa Sahal. In einem anderen Saal erwartet den Besucher eine chronologische Übersicht der Verwendung von Keramik in der Kunstgeschichte Europas, der USA und Japans. Einer der Räume veranschaulicht die Entwicklung der Keramikskulptur anhand von Arbeiten u.a. von Rodin und Gauguin. Auch die Otis-Gruppe aus Kalifornien mit Künstlern wie Ken Price und John Mason ist separat vertreten. Vallende vazen, brekende borden (Fallende Vasen, zerbrechende Teller) heißt der Saal mit Arbeiten von Picasso, Ai Weiwei, Anne Wenzel und Edmund de Waal. Der Brite ist insofern eine Ausnahme in der Ausstellung, als er nicht aus der sogenannten Freien Kunst kommt, sondern gelernter Keramiker ist. Dass Edmund de Waal – den Art Aurea vor einiger Zeit in einem großen Beitrag vorstellte – zusammen mit Ai Weiwei und Picasso gezeigt wird, lässt hoffen, dass die Besten der Keramikkunst zukünftig noch selbstverständlicher im Kunstkontext auftauchen werden.

Auguste Rodin, <em>Balzac, tête monumentale</em>, 1899. Courtesy Maison de Balzac, Paris
Auguste Rodin, Balzac, tête monumentale, 1899. Courtesy Maison de Balzac, Paris
Kathy Butterly, <em>Splash</em>, 1998. Steingut, Porzellan, 12,3 x 6,5 x 5,8 cm
Kathy Butterly, Splash, 1998. Steingut, Porzellan, 12,3 x 6,5 x 5,8 cm
Chieko Katsumata, <em>Akoda</em>, 2014. Courtesy Chieko Katsumata
Chieko Katsumata, Akoda, 2014. Courtesy Chieko Katsumata
Gabrielle Wambaugh, <em>Marie Madeleine au rocher mou</em>, 2014. Keramik, 69 x 39 x 30 cm
Gabrielle Wambaugh, Marie Madeleine au rocher mou, 2014. Keramik, 69 x 39 x 30 cm
Bita Fayyazi, <em>Cockroaches</em>, 1998-1999. Courtesy Isabelle van den Eynde gallery, Dubai
Bita Fayyazi, Cockroaches, 1998-1999. Courtesy Isabelle van den Eynde gallery, Dubai
Ivos Pacetti, <em>Maschera antigas</em>, 1932. Terrakotta, 23 x 24 x 19 cm
Ivos Pacetti, Maschera antigas, 1932. Terrakotta, 23 x 24 x 19 cm
Grayson Perry, <em>Memory Jar</em>, 2013. Sammlung des Bonnefantenmuseums
Grayson Perry, Memory Jar, 2013. Sammlung des Bonnefantenmuseums
Bertozzi & Casoni, <em>Astratto</em>, 2013. Keramik, 53 x 79 x 62 cm
Bertozzi & Casoni, Astratto, 2013. Keramik, 53 x 79 x 62 cm
Jean Carriès, <em>Masque d’horreur</em>
Jean Carriès, Masque d’horreur
Ron Nagle, ohne Titel, 1984. Keramik, 10 x 7,5 x 5,5 cm
Ron Nagle, ohne Titel, 1984. Keramik, 10 x 7,5 x 5,5 cm

Zusammengestellt wurde die Schau von den Gastkonservatoren Camille Morineau und Lucia Pesapane, die bereits Ausstellungen zu Gerhard Richter, Roy Lichtenstein und Niki de Saint Phalle kuratierten. Der Katalog zur Keramikschau ist online und im Museums-Shop erhältlich. Er kostet 39 Euro. Ab dem Frühjahr 2016 wandern die 250 Ausstellungsstücke aus Museums- und Privatsammlungen z.B. des Victoria & Albert Museum in London, des Museo Internazionale della ceramica in Faenza und des Petit Palais in Paris dann weiter nach Paris und Sèvres. Unwahrscheinlich, dass sie dort an einer ähnlich passenden Adresse vertreten sein werden – das Bonnefantenmuseum befindet sich in der Avenue Céramique, also der Straße der Keramik.


Text Agata Waleczek

Previewbild: Ausstellungsansicht mit Arbeit von Ai Weiwei, Bowl of Pearls (2006). Courtesy Galleria Continua, San Gimignano. Photo Peter Cox

  • Bonnefantenmuseum Maastricht
    Avenue Céramique 250
    6221 KX Maastricht
    Niederlande
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