Er pfiff auf konventionelle Kunstvorstellungen und wollte den Menschen helfen. Der ungarische Avantgardist und Bauhaus-Künstler László Moholy-Nagy (1895-1946) war Pionier und Pädagoge zugleich.
Mitte der 1920er hatte er einen Effekt beobachtet, den wir heute für ein relativ neues Phänomen halten: Reizüberflutung. Mit seinen experimentellen und interdisziplinären Arbeiten, die er mehr als Mittel zur Erfahrung denn als Kunst sah, wollte er die Menschen sensorisch schulen, um so ihrer Entfremdung von sich und ihrer Umwelt entgegenzuwirken. Es leuchtet ein, dass ihm die Reform des Bildungswesens wichtiger war als die Kunstproduktion an sich. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – er nie Kunst studiert hatte, konnte der Ungar einen unvorbelastetes Kunstverständnis entwickeln, das zudem eine praktische Seite hatte. Und ist der Anspruch, nützlich zu sein, nicht auch kennzeichnend für die Angewandte Kunst? Moholy-Nagy selbst hat die Frage, ob er nun Bildende oder Angewandte Kunst schuf, wenig beschäftigt und eben dies ist auch ein Zeichen dafür, wie weit er seiner Zeit voraus war.
Dem visionären Genie Moholy-Nagys ist die heute eröffnete Ausstellung Sensing the Future: László Moholy-Nagy, die Medien und die Künste im Berliner Bauhaus-Archiv gewidmet. Man kann die Veranstalter zur Entscheidung beglückwünschen, das Werk des Ungarn, der als einer der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts gilt, nicht als klassische Retrospektive zu inszenieren. Wie ließe sich seine Bedeutung und Aktualität besser veranschaulichen, als gleichzeitig seinen Einfluss auf Gegenwartskünstler zu zeigen? Neben Olafur Eliasson, Floris Neusüss, Eduardo Kac und anderen sind auch Arbeiten von Künstlern aus Winnipeg zu sehen, ein Verdienst des aus Kanada stammenden Kurators Oliver Botar. Spektakulär: Es werden auch Neukonstruktionen von Moholy-Nagys nicht verwirklichten Installationen gezeigt. Dass der Künstler sie selbst nicht umgesetzt hatte, lag teils daran, dass damals die technischen Möglichkeiten dazu nicht gegeben waren. Als er sein Lichtrequisit einer elektrischen Bühne schuf, einen beweglichen Licht-und-Schatten-Apparat, hatte er bereits die Idee eines Polykinos im Sinn. Gemeint war ein Raum mit mehreren, sich über die Fläche bewegenden Filmprojektionen. Erst im Laufe des Jahrhunderts wurden seine Ideen für alternative Filmvorführungen als Expanded Cinema realisiert. In der Ausstellung ist eine entsprechende Konstruktion zu sehen.
Text Agata Waleczek
Fotos Ausschnitte
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