Will der Mensch etwas Größeres bewegen, tut er meist gut daran, MitstreiterInnen zu suchen. Dies gilt für politische Ziele, für Umweltthemen wie auch für kulturelle Projekte. Zahlreiche Kunst- und Designbewegungen in der Vergangenheit entstanden aus freundschaftlichen Beziehungen, basierend auf verwandten ästhetischen Überzeugungen. Gleichgesinnte versammelten sich, um erstarrte Traditionen aufzubrechen – oder überhaupt erst wahr- und ernstgenommen zu werden. Künstlerische Gruppierungen wie zu Beginn der Moderne die Impressionisten, die Sezessionisten, die Futuristen oder die Bauhäusler veränderten gemeinsam die Kunstgeschichte und wirkten über Grenzen hinweg – zum Teil bis in die Gegenwart.
Damit verglichen erscheinen die Wirkungen von Ideengemeinschaften in Kunst und Design heute eher gering. Zu komplex und schnelllebig sind die Entwicklungen in unserer globalisierten Welt. Und dennoch machen Gemeinschaften Sinn. Auch wenn Sie „nur“ in ihrer Stadt etwas bewegen oder ein Kunstwerk gemeinsam erschaffen.
Unser erstes Beispiel in der Herbstausgabe 2024 ist The Chapel of Mary’s Mantle auf dem Domberg in Freising. An der Errichtung waren die Künstlerin Kiki Smith, die Architekten Brückner & Brückner, die Mayer’sche Hofkunstanstalt und der Auftraggeber, das Diözesanmuseum, vertreten durch Direktor Christoph Kürzeder und sein Team beteiligt. Nicht zu vergessen die HandwerkerInnen, die das reizvolle Mauerwerk aus alten Dachpfannen gemauert haben. Ira Mazzoni stellt das Gesamtkunstwerk vor.
Verglichen mit den Metropolen, die oft auch Brennpunkte der Kultur sind, erscheint eine Stadt mit 60.000 Einwohnern klein. Doch gerade hier kann ein vitales Zusammenwirken etwas bewegen. So wie in der ehemaligen Silberstadt Schwäbisch Gmünd. Dank gemeinsamer Initiative kann die Gmünder Schmuckmesse 2024 ihr 10-jähriges Jubiläum feiern. Und auch sonst trägt der gestalterische Gemeinschaftssinn dazu bei, die Stadt interessanter und lebenswerter zu machen.
Zwei weitere schöne Projekte, entstanden durch gemeinschaftliches Engagement, finden sich im Review-Teil. In Nürnberg gründete eine Gruppe von KunsthandwerkerInnen 1996 das Forum für Angewandte Kunst. Daraus resultierten regelmäßige Ateliertage, EinBlick Biennale genannt, sowie eine Reihe von Themen-Ausstellungen. Das Forum kooperiert dabei mit den Institutionen und Museen der Stadt Nürnberg.
Österreich war in den 1970er Jahren nicht unwesentlich an der Entwicklung des Avantgardeschmucks beteiligt. Um dies zu dokumentieren und neue Impulse zu geben, haben Ursula Guttmann, Susanne Hammer und Gabriele Kutschera die Ausstellung Mit Eigensinn – Schmuck aus Österreich konzipiert. Basierend auf dem Konzept folgte nach den Stationen im Museum Angerlehner in Wels und dem Goldschiedehaus Hanau im Sommer 2024 der Länderaustausch Beyond Adornment mit Südkorea in Seoul.
Lena Kaapke verwendet Keramik, um abstrakte Ideen und philosophische Fragestellungen sichtbar zu machen. Viele ihrer Arbeiten basieren auf Zahlen und Statistiken, die sinnlich und malerisch als Farbe, Form, Haptik und Rhythmus erscheinen: Konzeptkunst, die die Seele berührt. Julie Metzdorf stellt die Künstlerin und einige ihrer spannenden Projekte vor.
Curators‘ Choice – Kurzporträts, ausgewählt von führenden KuratorInnen
Mit der Rubrik Curators‘ Choice präsentiert Art Aurea in jeder Ausgabe fünf visionäre KünstlerInnen aus der ganzen Welt. Die Auswahl treffen namhafte GaleristInnen und MuseumskuratorInnen, koordiniert von Ingrid Rügemer.
Ptolemy Mann wurde ausgewählt von Monique Deul, Direktorin der Taste Contemporary Galerie in Genf. Mit ihren textilen Wandobjekten verschmilzt die in den USA geborene und in Großbritannien lebende Künstlerin die Soak Stain Painting-Technik des Abstrakten Expressionismus mit der Bauhaus-Vision, Kunst und Handwerk zu vereinen.
Kate Jones wurde ausgewählt von Angel Monzon, Geschäftsführer und Mitbegründer der Vessel Galerie in London. Mit ihren Glasobjekten fängt Kate Jones die Lichtstimmungen und Strukturen der einzigartigen Moorlandschaft südlich der englischen Stadt Middlesbrough ein.
Christoph Leuner wurde ausgewählt von Barbara Schmidt, Leiterin der Kulturabteilung der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Mit seinen Hohlkörpern aus Holzfaserwerkstoffen erkundet der passionierte Schreinermeister, welche ästhetischen Qualitäten und haptischen Reize er diesem so profanen Material entlocken kann.
Tiffany Vanderhoop, ausgewählt von Bryna Pomp, Direktorin von MAD about Jewelry, Museum of Arts and Design, New York. Vom Webstuhl der Ahnen zu modernen Kreationen – Schmuck, der eine künstlerische Reise zur kulturellen Wiederbelebung verkörpert. In den Perlenohrringen Vanderhoops finden sich Naaxiin-Gesichter, die ihre Vorfahren ehren. Auch die Muster haben eine tiefere Bedeutung und symbolisieren Mythen und sozialen Status.
Ori Orisun Merhav, ausgewählt von Sarah Myerscough, Direktorin der Sarah Myerscough Gallery, London. Sie arbeitet hauptsächlich mit einem natürlichen Polymer, das von weiblichen, in Südostasien beheimateten, Lackschildläusen stammt. Innovativ erforscht sie die skulpturalen Möglichkeiten dieses einzigartigen organischen Materials.
Review
Preisträger des Loewe Craft Prize 2024. Andrés Anza aus Mexiko gewann den Hauptpreis und 50.000 Euro. Besondere Erwähnungen und je 5000 Euro gingen an Miki Asai, Japan, für ihre Schmuckreihe Still Life, an Emmanuel Boos, Frankreich, für seinen Coffee Table Comme un lego und an Heechan Kim, Südkorea, für die Holzskulptur #16.
Wahlverwandtschaften. Für die Ausstellung 2024 des Forums für Angewandte Kunst im Neuen Museum Nürnberg haben die fünf Mitglieder Paul Müller, Cornelius Réer, Sabine Steinhäusler, Annette Zey und Sabine Ziegler fünf Künstlerinnen als „Wahlverwandte“ eingeladen.
Wietske van Leeuwen – Rocambolesque. Die Ausstellung bei Brutto Gusto in Berlin mit der niederländischen Keramikerin erinnert auch an den Mailänder Renaissancemalers Giuseppe Archimboldo.
Barbara Hast – eine Hommage. Über die früh verstorbene Keramikerin und ihre großartige Ausstellung im Dießener Taubenturm. Text, Schnuppe von Gwinner, Fotos von Mirei Takeuchi, Martin Hast und Jane von der Laake.
Beyond Adornment. Schmuckkunst aus Korea und Österreich im Seoul Museum of Craft Art (SeMoCA). 675 repräsentative Werke von insgesamt 111 KünstlerInnen. Kuratorinnen Hwang Hyerim, Lee Hyosun, Ursula Guttmann und Susanne Hammer. Die österreichische Auswahl entsprach der vorausgegangenen Ausstellung „Mit Eigensinn“.
Mapplethorpe und Warhol. In Berlin konnte man im Sommer 2024 zwei Ikonen homoerotischer Kunst bewundern, Andy Warhol, 1928 – 1987, in der Neuen Nationalgalerie und Robert Mapplethorpe, 1946 – 1989, in der Galerie Thomas Schulte.