Am 29. August wurde der Hessische Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk auf der Tendence in Frankfurt verliehen. Bereits zum 66. Mal würdigt der mit insgesamt 8.000 € dotierte Preis drei Kunstschaffende. Zum ersten Mal hat sich die fünfköpfige Jury dazu entschieden, zusätzlich einen Förderpreis – dotiert mit 500 Euro – zu vergeben. Geehrt wurden Katja Stelz, Kristina Rothe, Clemens Stier und Steffi Götze. Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt GmbH, sagt zu den Preisträgerinnen und den Preisträgern: „Sie haben eine Jury aus anerkannten Experten der Kunst- und Kulturszene mit Ihren Arbeiten überzeugt. Denn Sie vereinen in Ihren Arbeiten beides: handwerkliches Können und die Kunst der Gestaltung. Damit schaffen Sie Objekte von besonderem Wert: Sie stehen für Qualität, Einzigartigkeit und Kreativität.“ In Zeiten des ständigen Wandels plädierte Braun für den Mut, sich zu verändern und Dinge auch mal anders anzugehen. Denn dies seien „die Mittel, um diesem Wandel erfolgreich zu begegnen. Das gilt für uns alle. Für das Kunsthandwerk, für die Industrie, für das Design und auch für uns als Messe.“ Der älteste Staatspreis Deutschlands im Kunsthandwerk wurde durch Ministerialdirigent Axel Henkel, Abteilungsleiter Außenwirtschaft, Mittelstand, Berufliche Bildung, Technologie im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung verliehen.
Die Jury zeichnete das Textil-basierte Design der Arbeiten von Katja Stelz mit dem ersten Preis aus. Die Wolldecken und Teppiche von Katja Stelz überzeugten durch ihre moderne zeitgemäße Ästhetik und Eleganz, die mit einer hohen Fertigkeit in einer der ältesten Handwerkskünste – der Handweberei – von ihr hergestellt werden. Die im mecklenburgischen Palingen mit eigener Werkstatt niedergelassene Weberin ist zugleich Entwicklerin, Gestalterin und Produzentin ihrer Arbeit. Dies beeindruckte auch die Jury: „Sie versteht es hervorragend, ihre handwerkliche Kompetenz und ihre hohe kreative Gestaltungskraft in die Verbindung von Material, Textur, grafischer Klarheit und subtiler Farbigkeit in die von ihr gewebten Stoffe einfließen zu lassen.“ Katja Stelz macht den Rhythmus der Webarbeit sichtbar: „Spannung entsteht dort, wo das Muster aufgebrochen oder aufgelöst wird. Motive von Linie, Kreuzung und Reihung wechseln sich ab und fügen sich zu komplexen Musterungen wieder zusammen.“ Wegen seiner besonderen Farbtöne wählt Stelz skandinavisches Garn. Sie interessiert, wie Farbe im Gewebe wirkt – und schafft eine dezente, feine Farbigkeit, die an nordische Lichtverhältnisse erinnert.
„Alles braucht seine Zeit“ – dieser Grundsatz prägt die Arbeit von Kristina Rothe. In ihrem Atelier in Leipzig stellt sie Papierobjekte – Urnen – her. Für diese Objekte erhält sie den zweiten Preis. Als studierte Designerin für Angewandte Kunst mit Schwerpunkt Textilkunst suchte Rothe lange nach der Ausdrucksform, die sie inspiriert und das Natürliche in den Fokus rückt. Sie fand sie in der Anfertigung von Urnen – Unikate – die das Thema Vergänglichkeit verkörpern und die in ihrer Schlichtheit die Annäherung an das Thema Tod und Bestattung erleichtern sollen. Auch Papier, bevorzugter Werkstoff von Rothe, ist flüchtig, leicht, verletzlich. Rothe verarbeitet die langen, festen Hanffasern in einem aufwändigen Arbeitsprozess und schafft mit der filigranen Textilstruktur ihrer Objekte eine haptisch ansprechende, plastische Wirkung. Die Jury zeigte sich überzeugt von „den schlichten Formen ihrer Gefäße, die dennoch betont sind durch sinnliche Strukturen und Akzente. Die aus dem vergänglichen Material Papier gefertigten Urnen strahlen eine tiefe Ruhe aus. Die zarten Strukturen und Akzente auf ihrer Oberfläche entstehen meist beim Abformen des Papierbreis in einer Negativform aus Gips, der eine textile, handgenähte Form vorausgeht. In jedem ihrer Objekte manifestiert sich ein individuelles Kunstobjekt, das – bewusst in Weiß gehalten – einen Neubeginn symbolisiert und ein schlichter, schöner Gegenentwurf zur konventionell von Schwarz und Schwere geprägten Bestattungskultur ist.“
Gradlinig und klar in der Form, so präsentieren sich die Arbeiten von Clemens Stier. Er ist mit dem dritten Preis bedacht worden. Silberschmied ist das Handwerk, das Stier gelernt und an der Zeichenakademie in Hanau mit der Ausbildung zum Designer vertieft hat. Seine Arbeiten leugnen nicht die historischen Vorbilder, denn „ich beschäftige mich intensiv mit dem, was gewesen ist“, sagt Stier. „Aber meine Objekte sind aus einem anderen Zusammenhang und Entstehungsprozess heraus entstanden.“ Bei einigen Objekten, den Gefäßen aus einer kupferreichen Messinglegierung, bleiben Machart und Entstehung deutlich sichtbar – durch eine nicht entfernte Gusshaut zum Beispiel, oder durch Arbeitsspuren. Sogar Modelle, die noch keinen Guss erfahren haben, sind Teil der Ausstellung. „Ich möchte den Prozess nachvollziehbar machen, einen Akzent setzen – oft am Rand der Gebrauchsfähigkeit.“ Das Fazit der Jury: „Reduzierte Formen, handwerkliche Perfektion und Funktionalität bestimmen die kühle Eleganz seiner Arbeiten. Seine Silbergestaltung hat eine Philosophie, vergegenständlicht eine innere Haltung und vermittelt gleichzeitig auch Sinnlichkeit und Poesie. Er schafft es völlig unaufgeregt ein Kunstwerk zu gestalten, das von schöner Eleganz geprägt und dennoch selbstverständlich im Ausdruck ist.“
Die Jury zeichnet mit dem Förderpreis Steffi Götze aus. Sie lasse hinsichtlich Gestaltung, Formgebung und Qualität der Ausführung ihrer Arbeiten überdurchschnittliche Fähigkeit erkennen. Götzes Arbeiten überzeugen die Jury durch ihre Extravaganz und Individualität: „Emaillieren geht als Begriff der Kunstgeschichte auf eine jahrtausendealte Tradition zurück und ist eine faszinierende Möglichkeit, Schmuck mit Farben zu bereichern und reizvoll zu gestalten. Dieses gelingt Steffi Götze in einer außergewöhnlichen Art und Weise. Ihrer Arbeit liegt die Idee des Kontrastes zugrunde. Die von ihr in ausgefallenen Formen, geometrischer Struktur und dezenten Farben gestalteten Schmuckstücke werden so zu einem edlen Solitär.“ Götze selbst charakterisiert die Machart ihrer Stücke als „Zeichnen in der Luft“: Der als Träger für die filigranen Emailleflächen eingesetzte Silberdraht schaffe Volumen. So entstehe ein „Dialog zwischen Werkstück, Betrachter und Träger. Die Räume stehen für Kontraste, zum Beispiel Innen und Außen, Erinnern und Vergessen und fordern dazu auf, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen.“ Steffi Götze hat ihr Handwerk im spanischen Sevilla an der Kunstschule gelernt und in Frankreich bei einem Emailleur vertieft. Mit Emaille fertigt sie in ihrem Berliner Atelier vor allem Broschen in hellen Pastelltönen, „die“, so Götze, „wie ein weißes Blatt Papier offen sind für eigene Interpretationen“.
Zur fünfköpfigen Jury zählen – neben der Preisträgerin des letzten Jahres, Weidenflechterin Diana Stegemann, Britt Fröse von der Handwerkskammer Wiesbaden, Lutz Schell-Peters als Leiter der Werkakademie in Kassel, Petra Herr als Beraterin für Formgebung und Absatzförderung der Handwerkskammer Kassel, und die Galeristin aus Hochheim, Rosemarie Jäger.
Der Hessische Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk wurde 1951 als erster Staatspreis in Deutschland auf Anregung von Kunsthandwerk Hessen e. V. vom damaligen Hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn gestiftet. Er wird traditionell im Rahmen der Frankfurter Konsumgütermesse Tendence verliehen.
Die Tendence (27. bis 30. August 2016) ist die internationalste und größte Orderplattform Deutschlands in der zweiten Jahreshälfte mit einem umfassenden Produktportfolio aus den Bereichen Wohnen, Einrichten und Dekorieren ebenso wie Geschenkartikel, Schmuck und Mode. Gestalter und Firmen präsentieren auf der Neuheitenplattform ihre Weihnachtstrends und bieten damit dem nationalen und europäischen Fachhandel die Chance zur Nachorder für das Weihnachtsgeschäft. Gleichzeitig stellen sie die kommenden Frühjahrs- und Sommerkollektionen vor.