Ausgeräumt und ausgesucht

Ausstellung des Schmuckmuseums Pforzheim auf der Ornamenta Lust.

Im Rahmen der Ornamenta Lust und zeitgleich zur Ornamenta 2024 in Pforzheim und der Region Nordschwarzwald veranstaltet das Schmuckmuseum Pforzheim mehrere Mitmachaktionen im Dialog mit seinen historischen und modernen Sammlungen. Es stellt einzelne Positionen zeitgenössischer Schmuckkünstler und -studenten vor und gibt allen Interessierten die Möglichkeit, sich an Diskussionen zu beteiligen und kreative Ideen auszutauschen.

Ausgesucht von Sam Tho Duong

Im Ausstellungsteil Ausgesucht begegnen Arbeiten des Pforzheimer Schmuckkünstlers Sam Tho Duong (*1969 in Vietnam) Stücken der modernen Sammlung des Museums sowie Objekten zehn befreundeter Schmuckgestalter. Sam Tho Duong zu seiner Auswahl: »Ich habe mich davon leiten lassen, was ihr Schmuck in mir auslöste. Alle Schmuckkünstler haben mich in mindestens einer ihrer Schaffensperioden außerordentlich fasziniert. Die Exponate wurden aus unterschiedlichen Werkstoffen und zum Teil mit recht ungewöhnlichen Techniken erarbeitet. So rücken Materialien in den Fokus, die für Schmuck unkonventionell sind, und Wertvorstellungen werden in Frage gestellt.« 

Sam Tho Duong, Brosche Lamel, 2015. Foto Sam Tho Duong.

Neben der Auseinandersetzung mit Vergänglichkeit und Beständigkeit geht es darum, mit Schmuck Schönheit auszudrücken oder das Leben zu feiern, ihn als Talisman zum Schutz zu tragen oder aber Kritik zu üben. Bei einigen KünstlerInnen steht die Verbindung von Analogem und Digitalem im Vordergrund. Nachfolgend die von Sam Tho Duong ausgewählten KünstlerInnen:

Lifu Zhou (*1994 in China, lebt in Pforzheim) macht sich Generative Adversarial Networks (GAN) zunutze und bringt die virtuelle und die physische Welt auf diese Weise in Verbindung. Sein Ziel ist es, auch in einer postmodernen Gesellschaft dem Bedürfnis nach Individualität nachzukommen. Mithilfe des maschinellen Lernens experimentiert er mit einer Vielzahl an Bildern von Mineralien und Korallen und lässt sie im 3D-Druck zu Broschen in unerwartet lebendigen Farben werden. 

Mirjam Hiller (*1974 in Stuttgart) „konstruiert“ die dreidimensionale Form zunächst in Gedanken bevor sie diese in einen zweidimensionalen Bauplan auf ein farbig beschichtetes Blech übersetzt. Diesen sägt sie aus und erzeugt dann durch Schmieden und Biegen eine plastische Form: »Eine gewisse Dualität beherrscht meine Arbeit. So folge ich einerseits einem exakten Plan, wie auch die Natur gewissen Regeln folgen muss; andererseits entstehen durch diese Regeln und Einschränkungen immer wieder ungeahnte Möglichkeiten und Freiheiten. Der Arbeitsprozess ist eine Inspiration und öffnet neue Türen«, erläutert Hiller. Zum Schmuck von Miriam Hiller.

Bei Silke Spitzer (*1973 in Süddeutschland) steht die schützende Funktion von Schmuck im Vordergrund. Sie richtet den Fokus auf Naheliegendes und einfache Mittel, auf Materialien, Farben und Formen in ihrer Umgebung. Das kann brandenburgischer Holunder sein oder eine Astgabel, Geweih, Furnier, Pappe, Papier, Kork oder Kunststoff. So entstehen Ketten oder Schutzschilde – Talismane und »friedliche Rüstungen«. 

Silke Spitzer, Holunderkette, 2024. Foto Eric Tschernow.

Schattierungen und Farbverläufe der Emailmalerei von Christoph Straube (*1971 in München) wirken wie dreidimensionale Körper und lassen die Illusion von Räumlichkeit entstehen. Ihre Größe und Transparenz lässt sie voluminös erscheinen und einen Raum einnehmen, der nur in der Vorstellung existiert. 

Christoph Straube, Brosche, 2023. Foto Christoph Straube.

Beschichtete Kameralinsen sind der Ausgangspunkt für »Holon«, die jüngsten Arbeiten von Jiro Kamata (*1978 in Japan, lebt in München). Das Zusammenspiel konkaver und konvexer Linsen unterschiedlicher Farbgebung lässt dreidimensionale Hologrammeffekte entstehen, deren Muster changiert. In Halsschmuck und Broschen spiegelt sich so die Realität – oder, wie Kamata es formuliert, kann die Wahrnehmung der Betrachter verändern. 

Für Alexander Blank (*1975 in Büdingen) bedeutet Schmuckmachen, über Menschen nachzudenken, Perspektiven jenseits des Traditionellen zu erkunden und Geschichten zu erzählen. Seine aus handgeschnitztem Hartschaum, Silber und Baumwolle gefertigten Anhänger »Memento Juniori« machen deutlich, dass er sich gerne in Fantasiewelten entführen lässt und die Neugierde auf Unbekanntes inspirierend wirkt. (Siehe Kurzporträt in Art Aurea 53, Herbst 2023)

Helen Britton (*1966 in Australien, lebt in München) hat in ihrer Serie Plastic Animals, die Historie des Casein-Kunststoffs Galalith aufgegriffen, mit dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts Knöpfe hergestellt wurden. Dafür waren jedoch Millionen von Litern neuseeländischer Milch nach Deutschland importiert worden. Das ließ Britton über Tiere und den Umgang mit ihnen nachdenken, über ihre Formen und das, was ihren Charakter ausmacht. Ein Galalith, der jahrelang bei ihr in einer Schachtel lag, gab den Ausschlag, aus dem Casein-Kunststoff schmucke Tiere werden zu lassen.

Helen Britton, Broschen Billy & Ratty, 2023. Foto Dirk Eisel.

Seit 2002 arbeitet auch David Bielander (*1968 in Basel, lebt in München) im selben Studio wie Helen Britton. Sein Schmuck birgt oftmals Überraschungsmomente, die zum Nachdenken anregen. Ihm geht es darum, die Vielschichtigkeit sichtbar zu machen, die Dingen je nach Betrachtungsweise innewohnt. Dazu zählen auch die hier ausgestellten Arbeiten der Serie Wellpappe. Sie sehen zwar aus wie Wellpappe, sind jedoch aus Gold und Silber gefertigt, ob Armreif oder Uhr, Krone oder Kruzifix. 

Inspirationsquellen für den Schmuck Daniel Krugers (*1951 in Kapstadt, lebt in München) sind natürliche Formen und Artefakte jeglicher Art, ob historisch oder zeitgenössisch. Das Spektrum seiner Arbeiten reicht von organisch bis geometrisch und zeichnet sich durch besondere Strukturen, Muster oder Farben aus. Kruger mag Symmetrie und gestaltet oft Stücke aus Paaren. Die handwerkliche Ausführung ist für ihn Teil des kreativen Prozesses. Selbst sagt er über seine Arbeiten: »Der Schmuck, den ich herstelle, soll einen Menschen verschönern, er soll ein Fest sein.« (Siehe Porträt in Art Aurea Ausgabe 36).

Kurz und bündig seien abschließend Paul Derrez‘ (*1950 in den Niederlanden) Stücke, die oft in Silber mit Acryl und in Serienproduktion gefertigt sind, mit seinen eigenen Worten geschildert: »Mein Schmuck hat regelmäßig eine spielerische, ironische oder kritische Wendung, die das Leben feiern soll.« 

Paul Derrez, Halsschmuck, The Tongue, 2018. Foto Rob Bohle.

  • Schmuckmuseum Pforzheim
    Jahnstraße 42
    75173 Pforzheim
  • Link