Schmuck als reine Kunstform

Die Sonderausstellung Schmuck auf der Handwerk & Design 2023

Seit über 60 Jahren präsentiert die Schmuck auf der Handwerk & Design im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse München aktuelle Entwicklungen in der Schmuckkunst. Doch auch viele andere Highlights aus Kunsthandwerk und Design möchten das Publikum in München begeistern. Als diesjährige Kuratorin der Schmuck wählte die britische Künstlerin Caroline Broadhead unter 600 BewerberInnen 67 Teilnehmer aus 23 Ländern aus. Die Auseinandersetzung mit dem Wesen und der Funktion von Schmuck sowie Bezüge zur Gesellschaft und Philosophie in Geschichte und Gegenwart ist fester Bestandteil des Genres.

Sigurd Bronger, Brosche Sustainable Construction No. 3, Foto: Sigurd Bronger.

Die Nachhaltige Konstruktion Nr. 3 von Sigurd Bronger verwandelt eine gebrauchte Papprolle in eine philosophische Frage. Denn es geht dem weit über Norwegen hochgeschätzten Künstler um die Bedeutung einer leeren Kiste. Welchen Wert messen wir ihr bei, wenn sie keine Funktion erfüllt? Und was passiert, wenn man die leere Kiste als Schmuck trägt? Hat sie dann nicht doch eine Funktion? Durch die unmittelbare Beziehung zum menschlichen Körper werde Schmuck zum „Träger von Emotionen“, so die Kuratorin Caroline Broadhead. Ob ein Stück aus Gold oder aus Pappe gearbeitet ist, sei einzig eine Frage der Geschichte, die ein Stück erzählt. 

Zixin Wei: Halsschmuck Tesafilm und Jade. Foto: Zixin Wei.

Zixin Wei aus China hat in ihrer Halskette Tesafilm und Jade zwei Materialien verwendet, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Einen mythologisch aufgeladenen Edelstein und ein industrielles Massenprodukt. Dagegen fixieren Klebestreifen in ungezählten Anwendungen gerne auch den Staub und die Haare der Gegenwart. Vereint in der Halskette übernimmt jedes Material wie auch jedes Kettenglied Verantwortung für seine tragende Funktion und den Zusammenhalt des Ganzen. 

Lisa Walker, Halsschmuck It started with a mask then some decoration got added, Foto: Lisa Walker.

Lisa Walker aus Neuseeland erforscht unermüdlich die kulturelle Funktion von Schmuck und überrascht immer wieder mit spektakulären Arbeiten, deren Ausgangsstoffe die Konsumwelt unserer Zeit hergibt. Und was könnte aktuell treffender sein als ihr Halsschmuck aus einer Gesichtsmaske, die seit der Corona-Pandemie milliardenfach Gesichter verdeckt und Leben erschwert. 

Annamaria Zanella als Klassiker der Moderne geehrt

Als Klassiker der Moderne wird die 2022 verstorbene Annamaria Zanella innerhalb der Sonderschau Schmuck geehrt. In der Tradition der Arte Povera nutzte die 1966 geborene Künstlerin aus Padua Materialien wie Kunststoffe, Glasscherben, Muscheln, Blech oder Schwämme, und zwar oft so, dass die ‚bescheidenen‘ Materialien prachtvoll wirken. Neopren tränkte sie in intensives Blau, dass es wie Lapislazuli erscheint. „Blau ist die Seele, die Hoffnung“, sagte sie einmal über ihre Liebe zu dieser Farbe. 

Annamaria Zanella: Brosche Finistreblu, Foto: Marco Furio Magliani.

Ihre Brosche Finistreblu erinnert an ein Fenster, das den Blick aus einem Raum frei gibt, hinaus in die Natur und die Freiheit. Das Tragen dieses ‚Fensterjuwels‘ kann den Blick des Betrachters hinein- und herauszulassen. Die Geschichte der blauen oder auch roten oder orangefarbenen Stücke drückt die Traurigkeit unserer Zeit aus. Zum Beispiel jene, die der Anblick der bombardierten Gebäude ohne Fenster in der Ukraine auslöst, wo alles von Zerstörung und Schmerz spricht; oder den unsagbaren Schmerz, der aus den Fenstern vieler Häuser im Iran dringt, wo ein theokratisches Regime den Frauen jede Freiheit verweigert, sich frei zu kleiden oder Schmuck zu tragen oder eine Identität zu haben, ein Regime das den Tod bringt, so wie im Fall Mahsa Amini und der vielen Hingerichteten.  

Herbert Hofmann Preis – die Oscars der Schmuckkunst

Anspruchsvoller Schmuck ist zudem an zahlreichen Einzel- und Gemeinschaftsständen in der Halle B1 der Messe München zu sehen. Ebenso an den Ständen der „Frame“ rund um die Sonderschauen Schmuck, Talente und Exempla, etwa bei internationalen Schmuckgalerien wie Marzee aus Amsterdam, Platina aus Stockholm oder Rosemarie Jäger aus Hochheim.

Am Samstag, 11. März 2023, wird um 17 Uhr der Herbert Hofmann-Preis an ausgewählte Künstlerinnen der Sonderschau Schmuck vergeben. Deren Trägerschaft obliegt der Benno und Therese Danner’schen Kunstgewerbestiftung. Gefördert wird die Ausstellung zudem durch das Land Bayern.

Weitere Sonderschauen sind traditionell die Talente-Ausstellung sowie die Exempla, bei der in diesem Jahr handwerklicher Bootsbau zu bewundern ist.

  • IHM Handwerk & Design
    Messegelände München
  • Link