„Was früher in einem einzigen Arbeitsrausch entstand, entsteht heute in sehr vielen kleinen Arbeitsschritten, Krankheit und Alter geschuldet …“ So schreibt die 1932 geborene Lotte Reimers in ihrer Einleitung zu ihrem jüngsten „Bilderbogen“ 2018. Zum Glück sehe man das den Keramiken nicht an. Der Bilderbogen ist ein kleiner Katalog. Darin finden sich – wie immer brillant fotografiert von ad lumina Ralph Ziegler – in großen Abbildungen auf dunkelgrauem Grund ihre Keramiken des vergangenen Jahres. Annähernd 70 Objekte werden in der Ausstellung vom 7. bis 22. September im Hause der Künstlerin im Weinort Deidesheim zu sehen sein. Das 44-seitige Katalogheft zeigt mit 33 Werken knapp die Hälfte.
Wie Lotte Reimers im Vorwort verrät, habe sie neben hell gesprenkelten oder gröberem, hellbräunlichen Schamotteton auch feineres, fast weißes schamottehaltiges Material verwendet. Im „Heer“ ihrer Keramiken der vergangenen Jahrzehnte sieht die Künstlerin „auch im Jahr 2018 wie aus Nebelschwaden immer wieder bekannte Formakzente auftauchen und doch Neues wie jetzt die ‚Halskrausen‘, einfach oder mehrfach, am Hals oder als Tailleneinschnürung.“
Davon abgesehen sind die neuen Stücke eine Fortsetzung der Ausdrucksformen und Farbgebung vergangener Jahre: Kraftvolle, frei aufgebaute Gefäße, von flachen runden Schalen über eckige und runde Formen oder einer Kombination aus beiden. Nicht wenige der Stücke sind nach oben konisch verjüng oder münden vom bauchigen Gefäßkörper in einen schlotartigen Hals, der auch an einen erloschenen Vulkan denken lässt. Manchmal wird dieser Eindruck durch die schwarze Glasur verstärkt, die nach unten über hellere, erdige Farben zu fließen scheint. Ein gedrungene Form mit Halskrause – die Kunsthistorikerin Marlene Jochem bezeichnet sie als „gesmokt“ – lässt an eine urzeitliche Behausung oder auch den Torso eines Tieres denken. In einer Reihe von Arbeiten ist die aufstrebende Form durch unregelmäßige Stufungen, leichte Auskragungen oder feine Rillen gegliedert.
Im hinteren Teil des „Bilderbogens“ finden sich „Zur Erinnerung“ zwei Berichte über die beiden Ausstellungen von Lotte Reimers 2018 in Landshut. Im Oktober und November stellte sie unter dem Titel „Keramischer Dialog“ ihre Werke gemeinsam mit Schülerarbeiten der Keramikschule Landshut aus. Ein kleines Bild zeigt sie umringt von SchülerInnen. Die Ausstellung „Geteilte Erde – Shared Ground“ im Skulpturenmuseum im Hofberg machte einmal mehr die formale und geistige Verwandtschaft der Keramiken von Lotte Reimers mit der Malerei der australischen Aborigines eindrucksvoll deutlich. Die Nähe der zeitgenössischen indigenen Malerei Australiens zu den Keramiken von Lotte Reimers ist frappierend. Sie kann durchaus als Beleg gelten für gemeinsame Wurzeln zwischen KünstlerInnen, ja aller Menschen, über Zeiten und Grenzen hinweg. Werten wir sie jedenfalls als eine humane Tatsache und als Gegenpol zu dumpfen nationalistischen Tendenzen unserer Tage.
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