Robert Sturm im Keramion

Gefäße von Lucy Rie oder Hans Coper erreichen auf Auktionen Spitzenpreise. Und auch Skulpturen aus Keramik sind topaktuell.

Wie verbreitet Keramik in der Bildenden Kunst ist, zeigten die Ausstellungen Ceramix im Bonnefantenmuseum Maastricht oder Irden. Keramik in der Skulptur der Gegenwart mit Markus Karstieß in der Raketenstation Hombroich. Auguste Rodin, Paul Gauguin, Pablo Picasso oder Lucio Fontana nutzten das erdnahe Material ebenso wie heutzutage Grayson Perry, Thomas Schütte oder Ai Weiwei.

Robert Sturm in der Stiftung Keramion

Der Keramiker Robert Sturm bei der Arbeit in seinem Studio.

Es gibt auch keinen Grund, Keramik geringer zu schätzen als Bronze, Stein, Holz oder irgendeinen anderen Stoff, aus dem sich Kunstobjekte fertigen lassen. Keramik unterwirft sich vor dem Brennen willig einem formalen oder inhaltlichen Konzept und der Vielfalt der Oberflächen, Farben, Strukturen und Glasuren sind kaum Grenzen gesetzt. Hinzu kommt, nach einem gelungenen Brand, die kaum zu überbietende Beständigkeit des Werkes. Kein Wunder, dass Keramik in der Kunst so aktuell ist wie kaum zuvor.

Robert Sturm in der Stiftung Keramion

Robert Sturm

Doch ist es bis heute alles andere als selbstverständlich, dass ein Künstler, der in der Keramikszene verortet ist oder war, unbefangen von der Kunstwelt rezipiert wird. Umso bemerkenswerter war die Ausstellung Robert Sturm: Keramische Plastik 1969–1993 in der Johnen Galerie in Berlin. Zählt das inzwischen von Esther Schipper geleitete Haus doch zu den ersten Adressen für Gegenwartskunst in der Hauptstadt.

Die neue Ausstellung im Keramion schöpft aus einem Bestand, den der Gründer der Stiftung, der Frechener Steinzeugproduzent Dr. Gottfried Cremer, seit den späten 1960er Jahren angekauft hat. Anhand von etwa 70 Arbeiten wird die künstlerische Entwicklung Sturms in den verschiedenen Werkphasen von den 1960er bis in die 1990er Jahre nachvollzogen.

Robert Sturm in der Stiftung Keramion

Robert Sturm, Büste, 1986. 22 x 26 x 16 cm

Robert Sturm war ein vielseitig gebildeter Künstler. Er studierte ab 1956 in Frankfurt Politik, Kunstgeschichte sowie Malerei und wechselte dann an die Hochschule für Bildende Künste in Kassel. Von 1960 bis 1961 war er dort Assistent für Grundlehre und plastisches Gestalten. Wie einige andere Hochschulen im Nachkriegsdeutschland war die Werkakademie in Kassel 1947 mit einem Lehrplan nach den Prinzipien des Bauhauses wiedereröffnet worden. Gleichrangig mit der Malerei oder Bildhauerei gab es eine Studienrichtung in Keramik, die mit Walter Popp einen herausragenden Dozenten hatte. Sturm, der ab 1956 bei Popp studierte, löste sich sehr bald von dem Einfluss seines Lehrers und widmete sich seit Ende der 1960er Jahre konsequent der freien Skulptur. Gleichzeitig blieb er der Keramikszene eng verbunden. Dies beweisen seine Mitgliedschaft ab 1986 bei der Académie Internationale de la Céramique (AIC), Genf, und Auszeichnungen wie der 1. Preis für keramische Skulptur von Höhr-Grenzhausen 1989 oder der Preis von Vallauris im Jahre 1990.

Robert Sturm in der Stiftung Keramion

Robert Sturm, Torso, 1992. H 54 cm

Wie lässt sich nun das Werk von Robert Sturm einordnen? In der Ausstellung im Keramion wird ein Pionier gewürdigt, der auf ganz eigene Weise – aber zugleich zeittypisch für die Skulptur der 1960er und 1970er Jahre – die Grenzen seiner handwerklich geprägten Disziplin durchbrochen hat. Wie Voulkos und Mason beschränkte er sich dabei auf das Material Keramik. Bemerkenswert sind die Oberflächen. Sie sind nicht durch Glasuren geschlossen und geglättet wie häufig in der Keramik, sondern rau, offen und aufgerissen. Die Glasuren wurden teilweise wieder abgewischt, die Oberflächen aufgeritzt und durch Flugasche gefärbt.

KERAMION-Robert-Sturm-Gabeltorso,-H-69-cm

Zu Beginn der 1980er Jahre entstanden Arbeiten in Form von Masken und Torsi, welche die gesellschaftlichen Ängste jener Zeit zum Ausdruck bringen. Robert Sturm sprach in diesem Zusammenhang von der Bedeutung des Fragments, das sich wie ein roter Faden durch alle Stationen seines Schaffens zieht. „Fragmentarisches kann Prinzip und Idee sein. Das Fragment gibt Spielraum im Denken und Fühlen des Betrachters. Das Fragment ist für mich ein Zeichen für die Gebrochenheit der Welt, in der wir leben.“ Eine Interpretation, die bis heute gültig ist. Sebastian Preuss, stellvertretender Chefredakteur der Weltkunst sowie von Kunst und Auktionen schrieb in der Zeit über die Ausstellung von Robert Sturm in der Johnen Galerie: „Für die künstlerische Keramik, sonst eher eine abgeschottete Szene, ist das ein Riesenschritt. Natürlich ziehen dabei auch die Preise mit. Die 22 Zentimeter hohe ‘Plastik’ kostet stolze 15.000 Euro, doch für diesen bedeutenden, lange verkannten Künstler ist das alles andere als überteuert.“

Text Reinhold Ludwig

Photos Pressematerial

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