Längst ist das Bewusstsein um die Wichtigkeit einer würdigen Hühnerhaltung in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Folge ist, dass auch Durchschnittsverdiener inzwischen nicht selten zu Eiern aus Bio- oder Freilandhaltung greifen – man genießt sein Frühstücksei lieber bewusst und reinen Gewissens, statt auf Quantität zu Dumpingpreisen zu setzen. Als engagierte Umweltschützerin sind Tiere und die Natur im Allgemeinen für Gitta Pielcke wichtige Themen. In ihrem Augsburger Atelier lässt sich die Schmuckdesignerin von ihnen zu Ringen, Halsketten und neuerdings politischen Broschen motivieren. Ihr Gegenstand: Hühnerhaltung.
Art Aurea: Essen Sie selber gerne Hühnereier?
Gitta Pielcke: Ich mache mir nichts aus dem klassischen Frühstücksei, dafür schätze ich die Vielseitigkeit des Eis zum Backen und für Nachspeisen. Das Hühnerei ist ein faszinierendes Lebensmittel, das uns außer Proteinen auch verschiedene Vitamine und andere wichtige Inhaltsstoffe liefert.
AA: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Broschen zum Thema Hühnerhaltung zu machen?
GP: Ich habe zunehmend weniger Freude am konventionellen Schmuck. Der Markt ist übersättigt, Plagiat über Plagiat und Billigschmuck bestimmen die Branche. Da fehlt mir die Motivation „Neues“ zu entwickeln, das verkäuflich sein und in die eigene Schmucklinie passen soll. Tier und Natur bestimmen mein Schmuckschaffen von Anbeginn, es sind Themen, die mich aber auch abseits der kreativen Arbeit beschäftigen. Seit 25 Jahren bin ich Fördermitglied des WWF und von Greenpeace. Da wird man durch Magazine und Nachrichten immer wieder mit den Themen Umweltverschmutzung, Massentierhaltung, Überfischung, Wilderei usw. konfrontiert; natürlich auch durch die allgemeine Medienwelt. Setzt man sich also immer wieder mit diesen Problemen auseinander, dann ist der Schritt, hierzu Schmuck zu machen nicht mehr weit.
AA: Das ist ja durchaus politisch. Oder nicht?
GP: Die Titel dieser vier Broschen ergeben zusammen einen Satz, der eindeutig in seiner Botschaft sein sollte: Untragbar(e) – Knochenarbeit – Am laufenden Band – (ist gleich ) Käfighaltung. Aber auch einzeln bezieht sich jedes Stück auf die ausweglose Situation einer Legehenne, deren Lebensinhalt und Aufgabe rein in der schnellen und somit billigen Produktion von Eiern liegt – das Produkt Ei steht dabei in seiner Wichtigkeit weit über der Erzeugerin Henne. Der Mensch macht sich das Tier als Ware nicht nur zunutze, in seiner uneingeschränkten Macht beutet er die Tierwelt in sehr vielen Bereichen skrupellos aus. Hohe Lebensmittelquantität und Vielfalt zu niedrigen Preisen wird von uns Konsumenten als selbstverständlich erwartet, über das „Wie“ wird dabei möglichst nicht weiter nachgedacht und die bestehenden Zustände in der Lebensmittelindustrie werden unreflektiert akzeptiert.
AA: Schmuck als politisches Medium: Fallen Ihnen Arbeiten anderer Künstler in dem Bereich ein, die Sie selber spannend finden?
GP: Die Werke von z.B. Ruudt Peters, Iris Eichenberg, Hans Stofer gefallen mir sehr. Diese und viele andere Schmuckkünstler transportieren Inhalte mit ihren Arbeiten, die sich oft erst auf den zweiten Blick erschließen. Ob sie mit all ihren Stücken aufrütteln wollen, sei dahingestellt, aber ihre Arbeiten wecken immer Assoziationen zu Themen, die mit dem banalen Begriff Schmuck wenig zu tun haben.
AA: Meinen Sie, dass Sie etwas mit Ihren Broschen bewirken können?
GP: Natürlich hoffe ich, dass der ein oder andere Betrachter sich die Zeit nimmt, sich die Stücke genauer anzugucken. Und auf ein sich dann einstellendes kurzes Innehalten hoffe ich auch. Dass man mit solchen Arbeiten wirklich etwas bewirken kann, ist fraglich.
AA: Jetzt mal eine praktische Frage: Wie steht es um ihre Tragbarkeit?
GP: Das Material Ei/Knochen birgt erfreuliche Überraschungen. So ist die Eischale im Verbund doch viel stabiler als gedacht, die abgezogenen Eihäutchen trocknen wunderbar zart, und trocknen sie unten in der Schale, so formen sie meist eine amorph-runde Membran, die seidig schimmert. Auch die Knochen eines Huhns fügen sich wie gewollt zusammen. So lässt sich leicht eine neue Ästhetik schaffen, die mir für meine Arbeit natürlich auch wichtig ist. Die Broschen sind mit etwas Achtsamkeit alle tragbar.
AA: Was würden Sie sagen, welche Art von Frau Ihre Broschen trägt?
GP: Trägerinnen oder Träger, die Spaß am Autorenschmuck haben, können auch Freude an diesen Stücken zeigen. Die Sympathie mit den Broschen stellt sich allerdings nur ein, wenn man auch mit deren Inhalten übereinstimmt. Zudem ist auch etwas Humor gefragt, da die Rückseitengestaltung der Broschen beim Betrachter auch gerne ein Lächeln erzeugen darf, denn zu ernst sollte ein schmückendes Stück am Körper ja auch nicht sein!
Interview Agata Waleczek
Photos Ulrike Myrzik