Das Werk von Ken Mihara (*1958) wurzelt in der traditionellen Keramik seiner Heimat. Ausgebildet bei Kenji Funaki, einem der hervorragendsten Mingei-Töpfer Japans, hätte es nahegelegen, sich in die Volkskunst-Keramik der Mingei-Bewegung einzureihen. Doch die so komplex wie einfach erscheinenden Keramiken stehen zwischen Tradition und Avantgarde, zwischen Gefäß und Plastik. Mit ihren Oberflächen von nuancierter Chromatik erinnern sie an im Holzofen gebrannte Gefäße der Wabi-Sabi-Ästhetik wie auch an minimalistische Skulpturen der Moderne. Mit viel Feingefühl wird hier Wölbung gegen Fläche, Kante gegen Volumen, harter Winkel gegen weiche Linie gesetzt. Sein Tone gräbt Mihara unweit seiner Werkstatt selbst ab. Die Formen brennt er 40 Stunden in einem Gasofen, nachdem er sie mit Kaolin-Engoben überzogen hat. Nach dem Brand schleift er diese Brandkruste vollständig ab, um dann ein zweites Mal für 40 Stunden zu brennen. Die so entstehenden matt-rauen Oberflächen mit scheinbar natürlicher, nie gesehener flechtenartiger Farbigkeit verleihen den Arbeiten eine monumentale Zeitlosigkeit.
Seine neueste in Kooperation mit der Yufuku Gallery, Tokio, in der Galerie Marianne Heller vorgestellte Werkgruppe nennt Mihara Kei (Mindscapes), übersetzbar mit Vorstellungswelten oder „geistige Landschaften“. Raffiniert gewundene und gefaltete, spitz aufragende Gebilde kombinieren Statik und Bewegung – Symbolbilder unablässigen, in sich kreisenden Denkens. Diese über lange Zeit geduldig entwickelte vielfach ausgezeichnete Qualität hat ein hohes Maß an Reife und Vollkommenheit erreicht. So überrascht es nicht, wenn Referenz-Museen wie das Nationalmuseum für Moderne Kunst in Tokio, das New Yorker Metropolitan Museum of Art oder das Victoria and Albert Museum in London inzwischen Keramiken Ken Miharas zu ihrem Bestand zählen.
Text Walter Lokau