Seit rund zwei Jahrzehnten lebt die türkische Keramikerin Ipek Kotan im Westen. In ihren minimalistischen Gefäßen sind auch die Traditionen des Orients lebendig. Die Künstlerin ist Mitglied im formforum Schweiz.
Art Aurea Sie sagen, Ihre Arbeit entspringe einem instinktiven Bedürfnis, von Hand zu gestalten.
Ipek Kotan Ich bin erfüllt, wenn ich mich in Materialien, Texturen, Formen, Farben, Proportionen und Details verlieren kann. Mit meinen Händen zu arbeiten, ist für mich nicht nur ein Bedürfnis, sondern von existentieller Bedeutung. Bevor ich mit Keramik anfing, hatte ich mehrere Jobs in Büros, wo ich Businesskleidung tragen musste. Aber erst als ich mit meinen Händen im feuchten Ton Objekte machen konnte, habe ich gemerkt, welcher Genuss mir entgangen ist.
AA Fast ebenso elementar ist Ihre tiefe Verbindung zur Gefäßform.
IK Meine Beziehung zu Gefäßen kommt daher, dass ich dort, wo ich in der Türkei aufgewachsen bin, früh archäologische Bauwerke und Objekte kennengelernt habe. Seitdem hatte ich die Chance, in vielen Teilen der Welt zu leben. Je mehr Orte ich sah, desto mehr wurde mir klar, dass Menschen, egal wo oder in welcher Zeit sie leben, mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben. Gefäße gehören zu den ältesten und in archäologischen Ausgrabungsstätten weltweit am häufigsten entdeckten Objekten. Sie belegen für mich die Universalität menschlicher Erfahrungen. Das Gefäß begleitet uns seit mindestens 30.000 Jahren. Sowohl metaphysisch als auch ganz pragmatisch ist es eng mit der Geschichte der Menschheit verwoben. Ich kann mir kein besseres Objekt vorstellen, mit dem ich deutlich machen kann, dass wir alle verbunden und Teil eines großen Ganzen sind.
AA In jedem Detail Ihrer Gefäße ist das Streben nach Perfektion sichtbar.
IK In meinen frühesten Erinnerungen als Kleinkind sehe ich mich mit meiner Mutter beim Anziehen. Als letztes kamen immer die Socken. Wenn die Stickereien auf den Socken nicht perfekt auf meine Zehen ausgerichtet waren, musste ich sie zurechtrücken und korrigieren. Ich denke, mein Bedürfnis nach Perfektion und die Aufmerksamkeit gegenüber dem Detail waren schon immer da. Nur habe ich mich irgendwann entschieden, diese Eigenschaft in eine künstlerische Richtung zu lenken.
AA Ihre fertigen Gefäße sind schöne, harmonische, minimalistische Objekte, die aber auch etwas Sakrales, Zeremonielles haben. Die Kupferglasuren betonen dieses ehrwürdige Aussehen.
IK Ich liebe es, geologische Formationen zu beobachten, besonders Erde, Sand und Gestein. Edelsteine wie Amethyst oder Pyrit sind sehr interessant, weil sie von außen aussehen können wie gewöhnliche Steine. Im Inneren kann man jedoch einen großartigen Mikrokosmos entdecken. Es ist, als ob all die Schönheit des Universums in diesen kleinen, farbigen Steinen aus schimmernden, mineralischen oder metallischen Kristallen extrahiert und destilliert wurde. Das ist die Schönheit, nach der ich strebe. Minimalismus ist für mich nur ein Mittel, um in aller Klarheit an dem zu arbeiten, was mir wirklich etwas bedeutet: die Details. Das Zeremonielle resultiert aus der Betonung auf den skulpturalen Aspekt der Arbeiten. Ich glasiere nur das Innere und schleife die Außenflächen ab, bis sie sehr glatt sind, wie Marmor. Der Kontrast zwischen dem Inneren und dem Äußeren ist reizvoll, so wie das gewöhnlich aussehende Äußere eines Amethysten und sein atemberaubendes, reiches und komplexes Inneres.
Fragen: Reinhold Ludwig Photos: Miquel Gonzalez
Ipek Kotans Profil auf artaurea.de
Lesen Sie das gesamte Interview in ART AUREA 4-2015
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Torstraße 175
10115 Berlin
Deutschland - Opening 18–21 Uhr
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