Allein die Zahl von 2.500 Einreichungen zeigt, welche Sogwirkung der Craft Prize der spanischen Loewe Stiftung schon im 3. Jahr seines Bestehens hat. Die große internationale Jury mit ArchitektInnen, DesignerInnen, MuseumskuratorInnen, RepräsentantInnen von Institutionen und FachjournalistInnen ist beispiellos. Aus Deutschland wirkte Wolfgang Lösche von der Handwerkskammer München und Oberbayern mit. Ebenfalls in der Jury war die britische Keramikkünstlerin Jennifer Lee als Preisträgerin von 2018. Enrique Loewe, Ehrenpräsident der Loewe Foundation, sowie Jonathan Anderson, Creative Director von Loewe, vertraten den Veranstalter.
Nach der Vorauswahl waren 29 Finalisten übriggeblieben. Der Gesamtsieger Genta Ishizuka wurde 1982 in Kyoto geboren, wo er nach einer Zeit am Royal College in London inzwischen wieder lebt und arbeitet. Jonathan Anderson, Kreativdirektor von Loewe, bemerkt zum diesjährigen Gewinner: „Ishizukas Arbeit beweist, dass Handwerk offen sein und die Freiheit der Schöpfung zeigen kann. Sein Verwendung einer alten Lacktechnik in zeitgenössischer Form bricht Konventionen und repräsentiert eine neue skulpturale Vision im Handwerk.“
Die Jury stimmte auch wiederum zwei gleichwertigen Auszeichnungen zu. Die Gewinner sind Harry Morgan für die Arbeit „Untitled“ aus der Dichotomy Serie von 2018 und Kazuhito Takadoi für die Arbeit „Kado“ [Winkel] ebenfalls von 2018. Vom 26. Juni bis 22. Juli 2019 werden das Siegerstück von Genta Ishizuka und alle Arbeiten der Finalisten in einer Ausstellung im Steingarten „Heaven“ von Isamu Noguchi im Gebäude Sogetsu Kaikan in Tokio ausgestellt. „Von Keramik, Möbeln und Glas bis hin zu Körben, Schmuck und Schmiedekunst zeigt die Ausstellung die Bestrebungen der Künstler, das Historische mit der Avantgarde in Einklang zu bringen,“ heißt es aus Madrid. Ein Video auf der Webseite des Loewe Craft Prize gibt einen Einblick in die Ausstellung.
Genta Ishizuka verwendet das profane Motiv eines Orangen-Beutels als Ausgangspunkt. Durch seine meisterhafte Lacktechnik verleiht er dieser bescheidenen Form eine außerordentliche Wirkung. Sie basiert auf der Urushi-Lacktechnik, die bereits zwischen dem 7. und 8. Jahrhundert in Japan höchstes Niveau erreichte. Der tiefe Glanzes des Materials erzeugt eine spontane sinnliche Anziehungskraft, die auch heute noch zeitgemäß ist.
Harry Morgans Arbeit verkehrt die Regeln der Schwerkraft und schafft Objekte, die der Intuition widersprechen. Indem er eine dichte Betonmasse auf einem Block aus Glas setzt bezieht sich der Künstler auf den Brutalismus in der Architektur und das Handwerk der venezianischen Glasherstellung. Seine Objekte stellen eine starke Beziehung zwischen den beiden kontrastierenden Materialien her, die zu einer einzigen Form verschmelzen.
Takadoi arbeitet ausschließlich mit organischen Stoffen, die er selbst gewonnen hat. Er näht Zweige, Gräser und Schilf zusammen, um Formen zu schaffen, die sich verändern während das Material reift und sich entwickelt. Mit der Zeit wird durch diesen Vorgang eine subtile Farbpalette sichtbar. Die Strenge der Form spielt mit dem Kontrast von Leere versus Festkörper und Schatten versus Licht.
In der Endauswahl (Shortlist) waren folgende weiteren KünstlerInnen vertreten:
Akiko Hirai (* Japan) lebt und arbeitet in Großbritannien
Andrea Walsh (Großbritannien)
Annie Turner (Großbritannien)
Deloss Webber (USA)
Elke Sada (Deutschland)
Giampaolo Babetto (Italien)
Giovanni Corvaja (Italien)
Heeseung Koh (Korea)
Henar Iglesias (Spanien)
Jim Partidge & Liz Walmsley (Vereinigtes Königreich)
Jing Feng Fang & Mi Dong (China)
John Eric Byers (USA)
Jokum Lind Jensen (* Dänemark, lebt und arbeitet in Schweden)
Junko Mori (* Japan, lebt und arbeitet in Großbritannien)
Koichi lo (Japan)
Kye-Yeon Son (* Korea, lebt und arbeitet in Kanada)
Youngsoon Lee (Korea)
Masanori Nishikawa (Japan)
Mayu Nakata (Japan)
Michal Fargo (* Israel, lebt und arbeitet in Deutschland)
Minhee Kim (* Korea, lebt und arbeitet in Großbritannien)
Ruudt Peters (Niederlande)
Sachi Fujikake (Japan)
Shozo Michikawa (Japan)
Sophie Rowley (* Neuseeland, lebt und arbeitet in Deutschland)
Tomonari Hashimoto (Japan)
Kommentar
Der dritte Loewe Craft Prize dokumentiert erneut die hohe Qualität der Spitzenleistungen gegenwärtiger Handwerkskunst in der Welt. Auffällig ist die Dominanz der japanischen, gefolgt von den britischen TeilnehmerInnen. Auch koreanische KünstlerInnen machen in dem Wettbewerb diesmal wieder eine gute Figur. Mit den beiden Italienern Giampaolo Babetto und Giovanni Corvaja sowie Ruudt Peters aus den Niederlanden sind drei der bekanntesten Namen der Schmuckkunst in der Endauswahl vertreten.
Inhaltlich zeigt sich in einem Teil der 29 in der Endauswahl (Shortlist) vertretenen Arbeiten noch der Bezug zum Gefäß oder Behältnis. Vermehrt sind jedoch, abgesehen vom Schmuck, freie skulpturale Werke vertreten. Lediglich die intensive Kenntnis und Auseinandersetzung mit dem jeweils verwendeten Material verortet die Werke noch in der Kategorie der Handwerkskünste, wobei dies nicht zwingend so gesehen werden muss. Unvoreingenommen betrachtet sind viele Arbeiten eigenständige Kunstwerke, jedoch entstanden aus den Traditionen des Handwerks. In keinem Fall kann hier von einer zweitklassigen Kunst gesprochen werden, als die Handwerkskunst oft gesehen wird. Zwar kann die sogenannte freie Kunst hier und da mit komplexen intellektuellen Konzepten punkten, doch dem steht bei den anspruchsvollen Kunstwerken mit handwerklichem Hintergrund die intensive Auseinandersetzung mit dem Material sowie die meisterhafte Beherrschung eines Metiers gegenüber. Dass dies geringer als das Intellektuelle und Konzeptionelle geschätzt wird, hat historische Gründe, ist aber weder zwingend noch logisch.
Die Ergebnisse und die Herkunft der erfolgreichen Teilnehmer an dem Loewe Craft Prize lassen darauf schließen, dass in Japan, Großbritannien und Korea das künstlerische Handwerk noch stärker gewürdigt wird als in vielen anderen Ländern, Deutschland eingeschlossen. Die gesellschaftliche Wertschätzung ist aber unabdingbar, wenn sich daran etwas ändern soll. Die spanische Loewe Foundation jedenfalls leistet einen wichtigen Beitrag dazu. Reinhold Ludwig
- —
-
Isamu Noguchi
Indoor Stone Garden Heaven
The Sogetsu Kaikan
2-21, Akasaka 7-chome,
Minato-ku, Tokyo 107-8505 - Link