Am 13. September wäre Klaus Lehmann 90 geworden. Anlass für Jörg Johnen, dem letztes Jahr verstorbenen Künstler eine Präsentation in seiner Geburtsstadt zu widmen. Deren Schauplatz: der über zwei Stockwerke gehende Projektraum in Berlin Mitte, in dem der Ex-Galerist eine „sehr persönlich zusammengetragene Sammlung zeitgenössischer Kunst und skulpturaler Keramik nach 1945“ – so der unter „JohnenPrivat“ firmierende Internet-Auftritt – immer wieder neu mit Gast-Exponaten konfrontiert. Man könnte sagen, dass die Begegnung mit Lehmanns Werk überfällig war.
Berührungspunkt war letztlich, dass Johnen den künstlerischen Nachlass der Keramikerin Beate Kuhn (1927-2015) betreute, während die Galerie Angelika Metzger, Johannesberg bei Aschaffenburg, diese Aufgabe für Klaus Lehmann übernommen hat. So gelangte eine Auswahl Lehmann’scher Werke vom Main an die Spree. Genauer gesagt: späte, seit den neunziger Jahren entstandene Werke, als der Künstler auch den letzten Rest von Gefäßanmutung aus seinem Schaffen verbannt hatte, um gänzlich freie Stücke zu formen, darin geometrische Partien in Polarität zu organoiden Partien stehen oder, im Extremfall, handschriftlich wüst durchgeknetete Masse das Amorphe streift. Plastiken, die nicht weniger als Provokation an die Wahrnehmungsgewohnheiten des Betrachters daherkämen, wären sie, statt aus gebranntem, meist elfenbeinweiß verbliebenem Ton, in Bronze gegossen.
Keramik als Gegenpol zur Gegenwartskunst
Nun ist Keramik, in welcher gestalterischen Autonomie immer, nicht unbedingt das, was man erwarten würde im Interessenfeld eines Galeristen, in dessen Programm Namen wie Jeff Wall, Katharina Fritsch, Rodney Graham, Tino Sehgal einen festen Platz hatten. Doch Johnen entdeckt in ihr, wie er in einem ZEIT-Interview erklärt, „einen spannenden Gegenpol zu diesem ständigen Gesample und Gebastel der jungen Gegenwartskunst“, bei der er einen Mangel an „Tiefe des Denkens und Erlebens“ beklagt. Lehmanns bis zum Punkt des Rigoros-Schroffen reflektierte künstlerische Haltung muss ihm da imponiert haben. Für den ROOM des zweistöckigen Hauses hat Johnen ein Gemälde von Olaf Holzapfel aus seiner Sammlung ausgeliehen, das sich als ästhetischer Kontrast und Verbindung bestens eignet. Zwar handelt es sich bei dem aus vier Leinwänden bestehenden Zwölf-Quadratmesser-Querformat um kein Beispiel jener Konkreten Kunst, zu welcher Klaus Lehmann, nach seinen Vorlieben befragt, sich gerne bekannte.
Zweifellos zugesagt jedoch hätte ihm die farbliche Reduktion, mit der Holzapfel eine Abfolge von schwarzen Flächen, auf den ersten Blick massiv-monochrom rechteckig, auf den zweiten vom strengen Regelmaß abweichend und ins Grau-Transparente abgestuft, von links nach rechts fortschreiten lässt. Horizontale und vertikale Schlitze zwischen dem Schwarz und Grau scheinen strahlendes Licht durchzulassen und suggerieren so ein komplexes Konstrukt aus Fläche, Raum, Linie, harten Kanten und fließenden Übergängen, Zäsur und Kontinuität. Ein Werk, exemplarisch für die Malerei Holzapfels, der an der diesjährigen Documenta 14 in Athen und Kassel teilgenommen hat. Ein Stockwerk höher schließlich, im ROOF, treffen unter dem wortspielerischen Titel „Cat and Bird in Piece“ Arbeiten von David Claerbout, H.P.Feldmann, Katharina Fritsch, Francesco Gennari, Piero Golia, Beate Kuhn und Cornelius Quabek aufeinander. Roland Held
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JohnenPrivat
Marienstraße 10
10117 Berlin
Deutschland - Samstag 11-18 Uhr
sonst nach Anmeldung
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