Paul Derrez – Avantgardist aus Amsterdam

Im niederländischen Apeldoorn widmet das CODA Museum dem Schmuckpionier und Galeristen ab 1. November eine Ausstellung

Googelt man den Namen Paul Derrez in der Bildersuche, erscheint ein bärtiger Mann mittleren Alters mit Irokesenschnitt, die Kleidung oft gewagt. Ein Foto, das ihn in einer Lederkluft zeigt – die nackte, haarige Brust präsentierend, darauf einen mächtigen Anhänger – ist ganz vorn dabei. Neben Portraits des niederländischen Künstlers erscheint sein Schmuck: bunt, ausgefallen, zuweilen schrill aber meist in klaren Formen. Sein Exchange-Ring aus den 1970ern gilt inzwischen als Klassiker und sein phallischer Face-Anhänger als Aufmerksamkeitsgarant. Derrez strebt bei seinem oft von Politik, Alltagskultur und Mode inspirierten Schmuck nicht nach perfekter Harmonie. „Ich finde es aufregender, wenn die Dinge auf Dissonanzen hindeuten, auf die Ecken und Kanten der Gesellschaft.“

Paul Derrez, Dolch <em>In Gottes Namen</em>, 2003. Aluminium
Paul Derrez, Dolch In Gottes Namen, 2003. Aluminium
Paul Derrez, <em>Hörnchen und Fächer-Nadeln</em>, 1979. Silber
Paul Derrez, Hörnchen und Fächer-Nadeln, 1979. Silber
Paul Derrez, <em>Confetti-Körbe</em>, 2013. Silber, Acryl
Paul Derrez, Confetti-Körbe, 2013. Silber, Acryl

Wer nun denkt, es ginge bloß um Provokation, der missversteht den Schmuckpionier, Jahrgang 1950. Hinter der grellen Ästhetik steckt eine Menge Inhalt, genauer: eine fruchtbare Mischung aus künstlerischem Potential und schlauem Geschäftssinn. Lange bevor er international als Künstler wahrgenommen wurde, hatte er sich mit der Galerie Ra einen Namen gemacht. 1976 öffnete sie in Amsterdam als eine der ersten Avantgardeschmuck-Galerien weltweit. Hier zeigt er regelmäßig Objekte, Gefäße und Schmuck seiner rund 50 Künstler. Es überrascht nicht, dass er mit seinem Lebensgefährten Willem Hoogstede auch privat Schmuck sammelt und trägt. Auch für Gebrauchsgegenstände, gern aus dem 19. und 20. Jahrhundert, hat er ein Faible.

Paul Derrez, Collier <em>Blauer Engel</em>, 1997. Kunststoff, Stahl
Paul Derrez, Collier Blauer Engel, 1997. Kunststoff, Stahl
Paul Derrez, Wechselring-Set, 1975. Gold, Silber, Kunststoff
Paul Derrez, Wechselring-Set, 1975. Gold, Silber, Kunststoff

2015 war für Derrez als Schmuckkünstler ein Jahr der Erfolge: Im März erhielt er den begehrten Herbert-Hofmann-Preis in München, ab dem 1. November ehrt ihn das CODA Museum in Apeldoorn mit einer Ausstellung und Publikation. Besser könnte es für Derrez also kaum laufen, dessen Arbeiten bereits vom Stedelijk Museum, dem National Museum of Modern Art in Kyoto und der Neuen Sammlung in München angekauft worden sind. Dabei war es für ihn anfangs alles andere als einfach. Seine Mutter gab ihm eine letzte Chance, sich für ein Studium einzuschreiben – vorausgesetzt, dass er es beenden würde. Er hörte auf sie, verzichtete auf die Tänzerkarriere (angeblich aus Mangel an Talent), studierte Design und ließ sich als Goldschmied ausbilden. Zum Glück für die Schmuckkunst, wobei Schmuck laut Derrez gar keine Anerkennung als Kunst braucht, sondern als Kulturgut. Und als das kann er unter Umständen bedeutungsvoller sein als Kunst.

Paul Derrez im Jahr 2011

Der Schmuckkünstler Paul Derrez im Jahr 2011

Das Buch zur Ausstellung (NL/EN) erscheint zur Eröffnung, Preis 25 €, mit Handspiegel 40 €.

Text Agata Waleczek

Erschienen in ART AUREA 4-2015

  • Paul Derrez, Maker,
    sieraden & objecten 1975-2015
    jewellery & objects
    CODA Museum
    Vosselmanstraat 299
    7311 CL Apeldoorn
    Niederlande
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