Googelt man den Namen Paul Derrez in der Bildersuche, erscheint ein bärtiger Mann mittleren Alters mit Irokesenschnitt, die Kleidung oft gewagt. Ein Foto, das ihn in einer Lederkluft zeigt – die nackte, haarige Brust präsentierend, darauf einen mächtigen Anhänger – ist ganz vorn dabei. Neben Portraits des niederländischen Künstlers erscheint sein Schmuck: bunt, ausgefallen, zuweilen schrill aber meist in klaren Formen. Sein Exchange-Ring aus den 1970ern gilt inzwischen als Klassiker und sein phallischer Face-Anhänger als Aufmerksamkeitsgarant. Derrez strebt bei seinem oft von Politik, Alltagskultur und Mode inspirierten Schmuck nicht nach perfekter Harmonie. „Ich finde es aufregender, wenn die Dinge auf Dissonanzen hindeuten, auf die Ecken und Kanten der Gesellschaft.“
Wer nun denkt, es ginge bloß um Provokation, der missversteht den Schmuckpionier, Jahrgang 1950. Hinter der grellen Ästhetik steckt eine Menge Inhalt, genauer: eine fruchtbare Mischung aus künstlerischem Potential und schlauem Geschäftssinn. Lange bevor er international als Künstler wahrgenommen wurde, hatte er sich mit der Galerie Ra einen Namen gemacht. 1976 öffnete sie in Amsterdam als eine der ersten Avantgardeschmuck-Galerien weltweit. Hier zeigt er regelmäßig Objekte, Gefäße und Schmuck seiner rund 50 Künstler. Es überrascht nicht, dass er mit seinem Lebensgefährten Willem Hoogstede auch privat Schmuck sammelt und trägt. Auch für Gebrauchsgegenstände, gern aus dem 19. und 20. Jahrhundert, hat er ein Faible.
2015 war für Derrez als Schmuckkünstler ein Jahr der Erfolge: Im März erhielt er den begehrten Herbert-Hofmann-Preis in München, ab dem 1. November ehrt ihn das CODA Museum in Apeldoorn mit einer Ausstellung und Publikation. Besser könnte es für Derrez also kaum laufen, dessen Arbeiten bereits vom Stedelijk Museum, dem National Museum of Modern Art in Kyoto und der Neuen Sammlung in München angekauft worden sind. Dabei war es für ihn anfangs alles andere als einfach. Seine Mutter gab ihm eine letzte Chance, sich für ein Studium einzuschreiben – vorausgesetzt, dass er es beenden würde. Er hörte auf sie, verzichtete auf die Tänzerkarriere (angeblich aus Mangel an Talent), studierte Design und ließ sich als Goldschmied ausbilden. Zum Glück für die Schmuckkunst, wobei Schmuck laut Derrez gar keine Anerkennung als Kunst braucht, sondern als Kulturgut. Und als das kann er unter Umständen bedeutungsvoller sein als Kunst.
Das Buch zur Ausstellung (NL/EN) erscheint zur Eröffnung, Preis 25 €, mit Handspiegel 40 €.
Text Agata Waleczek
Erschienen in ART AUREA 4-2015
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Paul Derrez, Maker,
sieraden & objecten 1975-2015
jewellery & objects
CODA Museum
Vosselmanstraat 299
7311 CL Apeldoorn
Niederlande - Link