Freiheit zu gestalten

Die Freiheit der Kunst ist schon lange ein Thema. Inzwischen gilt sie auch in der angewandten Kunst. Mehr davon in der Winterausgabe von Art Aurea.

In der ersten Ausgabe von Art Aurea, erschienen im Herbst 1985, schrieb Jürgen Claus in einem Gastkommentar von „einer sensationellen Expansion und Erweiterung der Idee und Wirklichkeit von Schmuck, die der Expansion der Kunst, wie sie seit den sechziger Jahren vollzogen wurde, nicht nachsteht.“ Jürgen Claus, 1935–2023, arbeitete als Bildender Künstler, lehrte an verschiedenen Akademien, verfasste zahlreiche Bücher zur Medienkunst und Kunsttheorie. Er schuf bereits 1975 künstliche Gärten unter Wasser und widmete sich später dem Themenkreis Solares Zeitalter. 

Warum wurde Helen Britton Künstlerin? Vielleicht, weil sie als Kind in diesem Haus ihrer Patin spielen durfte. Foto Helen Britton.

Dass dieser vielseitige Visionär so über die Schmuckkunst jener Zeit schrieb, zeugt von der Euphorie und Aufbruchstimmung in den 1980er Jahren. Auch wenn diese im Schmuck ebenso wie in allen anderen Bereichen der angewandten Kunst abgeebbt ist, die Entwicklung geht weiter und trägt längst weltweit Früchte. Im zeitgenössischen Schmuck brachte sie zum Beispiel eine so vielseitige Künstlerin wie Helen Britton hervor. 1960 in Australien geboren, lebt und arbeitet sie seit ihrem Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München. Die von Jürgen Claus beschriebene „Expansion und Erweiterung der Idee und Wirklichkeit von Schmuck“, lässt sich allein in ihrem Werk überzeugend darstellen. Ihr gerade erschienenes Buch The Story so Far war der Auslöser für unsere Titelgeschichte.

In den 1980er und 1990er Jahren etablierten sich individuelle SchmuckdesignerInnen im deutschsprachigen Raum. Eine der erfolgreichsten ist Angela Hübel, hier in ihrer Münchner Werkstatt. Foto Ulrike Myrzik.

Auch Angela Hübel ist eine herausragende Protagonistin der neuen Schmuckkultur, die sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts etabliert hat. Wie Helen Britton hat sie an der Münchner Kunstakademie studiert und bereits 1989 ihr Atelier gegründet. Obwohl die Schmuckkunst und das künstlerische Unikat damals hoch im Kurs standen, entschied sich Angela Hübel bewusst für einen Weg als Designerin. Ihre innovativen Ringe, die in führenden Galerien in Europa präsent sind, stehen beispielhaft für den Kulturwandel, an dem auch viele andere individuelle Werkstätten mitgewirkt haben. Was Angela Hübels Design auszeichnet, wie ihr erfolgreicher Schmuck entsteht und was sie zu sagen hat, lesen Sie in der Winterausgabe 2025 von Art Aurea.

Dietlind Wolf aus Lübeck entwarf Stoffe für die Haute Couture, war Dozentin, Stylistin und Fotografin bevor sie die keramische Kunst für sich entdeckte.

Die jüngste Grassimesse ging Ende Oktober mit einem Besucherrekord zu Ende. Mit 8.680 Gästen waren rund 20 Prozent mehr Gäste als die Jahre zuvor in dem Leipziger Museum. Eine der Ausstellerinnen war Dietlind Wolf aus Lübeck. Sie studierte Visuelle Kommunikation, entwarf Stoffe für Haute Couture Mode, unterrichtet in Hamburg und war viele Jahre als Stylistin und als Fotografin tätig, bevor sie das keramische Gefäß als weiteres Medium für sich entdeckte. Welchen Bezug ihre Arbeiten zur sogenannten Backsteingotik der ehemaligen Hauptstadt der Hanse hat erfahren Sie ebenfalls in der neuen Art Aurea.

Der neue Schmuck, schrieb Jürgen Claus 1985, demonstriere den Gestaltungswillen einer neuen Generation. Dieser Gestaltungswille ist Merkmal selbstbestimmter, schöpferischer Menschen. Er ist ein Ausdruck von Freiheit und Humanität. Doch gerade diese Werte werden gegenwärtig in vielen Ländern mit Füßen getreten oder stehen auf der Kippe. Zumindest können Kunst, Handwerk und Design daran mitwirken, sie zu bewahren. Wer die Zeitschrift Art Aurea liest, weiß, was damit gemeint ist.

Curators‘ Choice 

Die Rubrik präsentiert regelmäßig fünf international bedeutende KünstlerInnen und aktuelle Werke im Spannungsfeld von Kunst, Handwerk und Design. Die Auswahl trifft Ingrid Rügemer in Zusammenarbeit mit ausgewählten KuratorInnen.

Rony Plesl. Mit seinen Glasobjekten verknüpft der Prager Künstler zeitgenössische Formen mit handwerklicher Tradition und macht Geschichte spürbar. Kuratorin: Lucie Drdová, Kunsthistorikerin und Galeristin, Prag.

Jérôme Pereira. Der französische Künstler erforscht jene unsichtbaren Gesetze, die unsere Welt ordnen. Seine Leuchten machen Gravitation und Zeit als Form erfahrbar. Kurator: Ygaël Attali, Mitbegründer der Galerie Philia, Genf, New York und Singapur.

Susan Maddux. Ihre textilen Wandobjekte tragen die Erinnerung an ihr japanisches Erbe und die Landschaften Hawaiis in sich. Kuratorin: Lesa Griffith, Honolulu Museum of Art.

Helga Ritsch. Die Schweizerin erschafft Porzellangefäße, Installationen und Bilder von meditativer Qualität. Francesco Sciuchetti, Galerist der Galerie Palü, Pontresina, Schweiz.

Manchmal helfen Materialien, aus einer kreativen Goldschmiedin eine Künstlerin zu formen. Brosche Gleicher Ursprung, 2021. Bernstein, Holzkohle, Silber, 5,5 x 4 x 1,5 cm. Foto Susanne Elstner.

Susanne Elstner. In ihrem klar gestalteten Schmuck aus Holzkohle und Bernstein werden faszinierende Naturprozesse sichtbar. Kuratorin: Hannah Rembeck, Galeristin, Galerie Hannah Rembeck, Regensburg. 

Review 

Jan Bontjes van Beek. Er war Bildhauer, Tänzer und Keramiker. Sein Leben spiegelt Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts wider. 

Erfurter Schmucksommer. Über die jüngste Stadtgoldschmiedin und das legendäre Erfurter Schmucksymposium. 

Zukünftige Horizonte. Seit 25 Jahren sammelt die Alexander Tutsek-Stiftung, München, zeitgenössische Fotografie sowie Skulpturen und Installationen aus Glas. 

Künstler der Galerie. Hilde Leiss zeigt zum Jahresende inspirierendes Kunsthandwerk und angewandte Kunst. 

Der Schmuck von Ryungaje Jung, Südkorea, ist erfrischend unkonventionell. Ein Beispiel aus der kreativen Vielfalt in der Ausstellung von Hilde Leiss. © Ryungaje Jung.

7000 Jahre Keramikgeschichte. Das Internationale Keramik-Museum Weiden zeigt nach einer Modernisierung seine Schätze.

Die jüngste Ausgabe von Art Aurea hat mit Umschlag wie gewohnt 92 Seiten. Sie ist gestaltet und gedruckt wie ein Kunstbuch und in führenden Galerien und Geschäften für Angewandte Kunst und Schmuck erhältlich.

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