Teetrinken verbindet, als bewusst erlebtes Ritual in der Familie, mit Freunden oder als Geste der Gastfreundschaft. Wer Tee anbietet, kommuniziert. Wir besuchten drei ganz verschiedene Lokale in Berlin, die etwas gemeinsam haben: Tee und Menschen, die ihn lieben.
Seit ihrem Umzug aus dem Palais am Festungsgraben 2012 befindet sich die Tadshikische Teestube in einem Hinterhof der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte. Sie kam als Ausstellungsobjekt zur Leipziger Messe 1974 und ging anschließend als Schenkung an die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Die Tee- und Speisekarte ist international, mit einem Schwerpunkt auf zentralasiatischen Teespezialitäten und Gerichten. Olga Schöning ist seit bald vier Jahren Besitzerin. Bereits seit dem Mauerfall hat die gelernte Grafikerin die Werbung für das Lokal gestaltet. Teestuben waren in der nomadisch geprägten tadschikischen Kultur Männern vorbehalten. Bei Grüntee wurde diskutiert, verhandelt, geplaudert und Wasserpfeife geraucht. Elemente, die an diese Lebensart erinnern, finden sich in Form von bunten Sitzkissen, flachen Tischen und handgeschnitzten Säulen in der Inneneinrichtung wieder. Viele glauben, die Säulen seien aus Sandelholz, bemerkt Olga Schöning. „Laut Gutachten, das ich habe erstellen lassen, ist es Pappelholz.“
Die Italienerin Giulia Minnucci aus Anguillara Sabazia verbringt den Nachmittag mit Freunden bei einer russischen Teezeremonie. Sie haben die Schuhe ausgezogen, übergießen den Teesud in ihren Gläsern mit heißem Wasser aus dem Samowar. Dazu gibt es Gebäck, Rumrosinen, Fondant, braunen und weißen Zucker sowie Konfitüre. Auch ein Gläschen Wodka ist Bestandteil dieser Zeremonie. Besonders gern mag Giulia ausländische Tees. Sie erinnern sie an ihre Reisen, zum Beispiel als sie mit ihren Eltern in Ägypten war: „Wir haben ein Beduinencamp besucht. Die Beduinen bereiteten drei Gläser Pfefferminztee vor und sagten, das eine sei bitter wie der Tod, eines sei süß wie die Liebe und eines durchwachsen wie das Leben. Das ist mein Lieblingstee“, verrät Giulia.
Tadshikische Teestube / Russische Teezeremonie / Internationale Teespezialitäten
/ Zentralasiatische Küche / Interieur mit Geschichte / Gemütlich und touristisch
Im KunstHof / Oranienburger Straße 27 / 10117 Berlin-Mitte
Unsere nächste Station ist die Charlottenburger Filiale von Paper & Tea. Außer diversen Teespezialitäten und Papierwaren kann man hier keramisches Teezubehör kaufen. Im Geschäft treffen wir Adam Wieczorkowski, seines Zeichens Teeist. Der gebürtige Pole und Teespezialist weiß auch viel über Keramik. „Kannen haben ein Erinnerungsvermögen“, klärt uns Adam auf. Er meint die Patina, die sich nach mehrfacher Benutzung auf der Innenseite einer Teekanne bildet und den Teegeschmack mitbestimmt. Deshalb würden Kenner ihre Teekannen nur mit Wasser ausspülen. Eine poröse Kanne, die nicht glasiert ist, nehme sehr viel von dem Geschmack auf, sagt Adam. „Die Fläche, auf der sich der Tee entfaltet, ist durch die Poren viel größer.“ Manchen Teeliebhabern ist ihre persönliche Patina so wichtig, dass sie ihre Teekannen auch auf Reisen mitnehmen. Adam zeigt uns auch Chawan-Schalen, die für Matcha-Tee verwendet werden.
„Matcha ist Grüntee, Sencha meistens, der gemahlen und dann mit einem Teebesen angerührt wird.“ Dies sei auch Bestandteil der japanischen Teezeremonie. Auf den Wandregalen finden wir die Arbeiten des österreichischen Keramikers Matthias Kaiser, der sich in Asien von der dortigen Teekultur inspirieren lassen hat. „Das ist die Qualität hier, dass es nicht nur um den Tee selbst geht, sondern um die Ästhetik, die damit verbunden ist“, findet Uli aus Berlin. Er kauft heute bei P & T ein. Der Großteil des Keramikangebots sind Nachbildungen traditioneller Teegeschirre. „Ich habe neulich in einem Buch gesehen, dass eine Kanne, die ganz ähnlich gemacht ist, aus dem China des 15. Jahrhunderts stammt“, berichtet Adam und weist auf ein Stück im Regal. Auch die Teeschalen mit Seladon-Glasur gehen auf historische Vorbilder zurück. Traditionell zierte die seladongrüne Glasur chinesisches Steinzeug des 9. bis 15. Jahrhunderts. In China und Taiwan sagt man, dass Grüntee in Seladon-Gefäßen am kostbarsten aussehe – die Glasur erinnert farblich an Jade. Auf Europäer wirken viele der asiatischen Gefäße klein. Auch das hat einen Grund. „In Asien sagt man, je kleiner die Kanne, umso besser der Tee.“ In einer kleinen Kanne könne sich das Aroma einfach besser entfalten.
Zum Schluss lädt uns Adam zu einer Teeverkostung mit japanischem Sencha ein. Er nutzt hierfür einen Kyusu, eine Servierkanne und ein Teesieb. Angerichtet wird der Tee auf einem Holzbrett, an das ein Schlauch angeschlossen ist, über den das Wasser ablaufen kann. Adam verweist auf die mit chinesischen Yixing-Kannen verbundene Praxis, die Kannen mit heißem Wasser zu übergießen. „Es ist, wie als Kind mit Wasser zu spielen“, sagt er und gießt das auf 60 bis 70 Grad temperierte Wasser in die Servierkanne, wo es weiter abkühlt. Aus dieser wird es in den Kyusu gegossen, in dem sich der Sencha befindet. Der erste Aufguss zieht 60 Sekunden. Im nächsten Schritt wird der Tee durch ein Sieb zurück in das Servierkännchen gegossen. Aus diesem schenkt er uns den Tee in kleine Glasschalen ein, aber nicht, ohne uns zuvor an den nassen Teeblättern riechen zu lassen. „Die kann man hinterher auch essen, beispielsweise auf Brot oder zu Frischkäse.“ Schlürfen ist erlaubt, das verbessere den Geschmack. „Wonach schmeckt dieser Tee für Euch?“ Mirjam Wählen meint, er habe etwas sehr Erdiges. Für mich hat er etwas sehr Deftiges, fast schon wie eine Suppe. Adam meint: „Sehr gut. Die Japaner haben eine fünfte Geschmacksrichtung, die sie umami nennen.“ Das entspreche unserem deutschen Begriff herzhaft.
Paper & Tea (P & T) / Hochwertige Teeauswahl / Angebot an Keramik und Teezubehör
/ Teeverkostungen und Seminare / Gehobenes Niveau
/ Bleibtreustraße 4 / 10623 Berlin-Charlottenburg
Wir ziehen weiter nach Kreuzberg. Im Schatten eines malerischen Wasserturms liegt das t berlin. Es gehört Duncan Mckenzie aus Yorkshire. Vor drei Jahren eröffnete er das Lokal, das mehr ist als eine Teebar: Comedy-Events, Geburtstage, Yogaunterricht, Sprachkurse, Konzerte – alles findet hier statt. Die einzige Konstante ist der Tee. „Wir sind eine Alternative zum Pub. Viele suchen heute einen Ort für Nichtraucher und mit nichtalkoholischen Alternativen. Tee passt dazu“, so Duncan. Eine Spezialität des Hauses sind Cockteas – warme und kalte Cocktails, die mit Tee gemacht werden. Die Idee entstand, als Duncan bei Teeverkostungen bemerkte, dass die Leute sich nach einer Stunde zu langweilen begannen. Also fügte er dem Tee Alkohol hinzu. „Gin und Earl Grey, Wodka und Jasmintee, Rum mit Rooibos, Silver Needle mit Cointreau passen zusammen.“ Als teeliebender Engländer wird Duncan oft auf die Teekultur seiner Heimat angesprochen, die er jedoch keinesfalls fortführen will. Mit einer Geschichte über den Ursprung der Milch im Tee kann er dennoch aufwarten: „Schwarztee war in England früher ein exklusives und teures Getränk. Man begann also, den Tee zu panschen. Wenn der Tee, den Matrosen in gepresster Form importierten, auf den Markt kam, konnte man ihn nur noch mit Milch und Zucker trinken.“ Zu Besuch ist an diesem Nachmittag auch Aggi Cantrill, eine Freundin von Duncan. Sie ist ebenfalls Engländerin und erinnert sich gern an die tägliche tea time im Kreis der Familie. „Tee erinnert mich an mein Zuhause. Teetrinken ist dort ein Ritual, weil wir es um eine bestimmte Tageszeit mit der gesamten Familie tun. Wir setzen uns hin, trinken Tee und essen Kekse. Meistens vor dem Abendessen, wenn wir alle zuhause sind.“
t berlin / Cockteas / 10 Sorten Qualitätstee / Unterschiedliche Events / Unkonventionell und kreativ
/ Fidicinstraße 38 / 10965 Berlin-Kreuzberg
Text Agata Waleczek
Photos Mirjam Wählen