Otto Künzli in Japan

Minimalistisch, hintersinnig, manchmal ironisch und immer handwerklich bestechend. Die Werke des 1948 in Zürich geborenen Schmuckkünstlers wurden jüngst in Tokio ausgestellt.

Ein junges Mädchen steht vor dem runden Tisch. Sie kam mit ihrer Mutter und hatte eine knallrote Perle mitgebracht. Einzelne, nicht aufgefädelte Kugeln bildeten die Form einer großen Perlenkette. Diese Arbeit von Otto Künzli heißt The Big Family. Das Mädchen lächelte, als es seine Perle dazulegt. Dann kam ein Pärchen, das zwei Glaskugeln platzierte, die nun durch die vielen intervenierenden Teile verbunden sind. Beim Anblick des wachsenden Kreises schmunzelte auch das Paar. The Big Family war Teil von Künzlis Ausstellung im Metropolitan Teien Art Museum in Tokio. Eine andere Arbeit, Der Rote Punkt, setzte er an die Außenwand der ehemaligen kaiserlichen Residenz aus den 1930er Jahren. Hier ließen sich genussvoll Beziehungen zwischen Kunstwerk und Gebäude erkennen. Eine von Künzlis jüngsten Arbeiten war inspiriert von den Komainu, den zwei Wächterlöwen, die vor dem Eingang sitzen. Die Besucher waren überrascht, dass das verwendete türkisfarbene Haar von Hatsune Miku stammt, einer virtuellen Figur, deren Perücke Künzli in einem der vielen Cosplay-Shops in Tokios Stadtteil Akihabara gekauft hatte. Mit dem Bewusstsein, dass dieses Schmuckstück als Komainu funktioniert, der die Ausstellung (und den Träger) bewacht, begann ein Überdenken der Bedeutung von Schmuck. Von Künzlis Witz ergriffen und bewegt von seiner unkonventionellen Art, schauten die Besucher mit anderen Augen auf den eigentlichen Sinn von Schmuck. Begeistert vom Museum kehrten die Leute zurück in das Gewimmel Tokios und redeten noch weiter über Künzlis Werk. Es ist, als hätte sich ein Schmuckstück mit seiner tiefgründigen Botschaft über die gesamte Stadt gelegt. Künzlis Kunst zeigt, dass wir Teil der uns umgebenden Welt sind, wenngleich viele interne Verbindungen nicht sichtbar sind. Selten sieht man eine Ausstellung mit zeitgenössischem Schmuck, die intellektuell so anregend ist, insbesondere in Japan, da hier Schmuck normalerweise nicht mit starken Botschaften verbunden ist. Die Ausstellung bot eine herrliche Quelle vielfältiger Sichtweisen.

Text Noriko Kawakami
Photos Miriam Künzli

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