1979 entwickelte Niessing den Spannring und die Schmuckserie „Niessing S“. Gerade findet in der Schmuckmanufaktur ein Generationswechsel statt. Drei Gesellschafter und fünf MitarbeiterInnen über ihre Aufgaben und ihre Liebe zu einer ungewöhnlichen Firma. (Lesen Sie weiter am Ende der Bildstrecke)
Zu den Profilen mit Schmuck und Trauringen von Niessing
Art Aurea Frau Lenz-Kaufhold, Sie sind seit einigen Jahren Mitgesellschafterin von Niessing. Wann ist Ihnen der Schmuck von Niessing erstmals begegnet?
Johanna Lenz-Kaufhold Anfang der 1980er Jahre habe ich den Satz „Zu wissen, es ist Platin“ in einer Anzeige gelesen. Das hat mich neugierig gemacht, die für diese Zeit ungewöhnlichen Schmuckstücke aus Platin von Niessing kennenzulernen. Die Klarheit der Formen im Geist des Bauhauses und die besonderen Techniken faszinieren mich bis heute. Es ist eine dauerhafte Liebe daraus entstanden.
Art Aurea Herr Verwohlt, Sie haben bei Niessing Ihre Ausbildung absolviert und 1995 mit der Meisterprüfung abgeschlossen. Seit 1999 sind Sie Produktionsleiter. Wie wird man als Goldschmiedemeister bei Niessing in Vreden wahrgenommen? Und was bedeuten dieser Beruf und der Arbeitsplatz für Sie?
Johannes Verwohlt In Vreden sind wir Exoten, denn im Umkreis von 400 km gibt es keine Manufaktur, die etwas Ähnliches macht. Meine Kollegen und ich hören dann schon mal: „Oh, Du arbeitest bei Niessing“. Dass ich meinen Beruf einmal richtig lieben würde, konnte ich mir am Anfang kaum vorstellen. Es ist die Arbeit mit den Händen, dazu die Möglichkeit, zu experimentieren, den Kopf einzusetzen und Neues zu entwickeln. Die technischen Möglichkeiten, die Modellvielfalt, die ständigen Entwicklungen sind einzigartig hier.
Art Aurea Frau Hüning, was hat Sie vor Ihrer Ausbildung bei Niessing daran gereizt, in einer Manufaktur Schmuck zu machen? Und wann gehen Sie so richtig zufrieden nach Hause?
Marion Hüning In der Schule war mein Lieblingsfach Kunst und Werken. Ich hatte schon immer Freude an Formen und Farben. Deshalb habe ich mich bei Niessing beworben. Zufrieden bin ich abends, wenn ich ein interessantes Schmuckstück angefertigt habe. Manchmal gibt es ein technisches Problem, das unser ganzes Team fordert. Wenn wir das gemeinsam lösen konnten, dann war es ein guter Tag.
Art Aurea Herr Bennink, Sie sind für die Konstruktion und Entwicklung bei Niessing zuständig. Was heißt das im Einzelnen? Welche Ausbildung braucht man dafür?
Lambert Bennink Im Einzelnen heißt das: Umsetzung der Produktidee, vom Design, der ersten Bleistiftskizze, bis hin zur Ausführung. Dazu gehören Kalkulation, Erstellung von Fertigungsbegleitlisten, Konstruktion und Neuentwicklung. Wenn nötig, fertige ich sogar das Werkzeug an. Nach meiner Ausbildung als Zerspanungsmechaniker im Fachbereich Drehtechnik habe ich noch Goldschmied gelernt und anschließend Modelle gebaut. Ich habe bereits als Junge Modellbau betrieben und mich für Technik und Computer interessiert.
Art Aurea Frau Friesleben, Sie haben an der FH in Düsseldorf Schmuckdesign studiert und sind nun im Designteam von Niessing tätig. Ihre Kollektion „Topia“ ist ein großer Erfolg. Welche Rolle können Schmuckstücke von Niessing im Selbstverständnis heutiger Frauen spielen?
Nina Friesleben Frauen sind heute viel selbstbewusster als in der Vergangenheit. Sie kaufen sich oft selbst ihren Schmuck, um sich damit individuell auszudrücken. Viele Frauen haben ein intuitives Gespür für Design. Und sie legen verstärkt Wert auf Qualität und Nachhaltigkeit. Dem entspricht unsere Idee von puristischem, ehrlichem Design.
Art Aurea Frau Wissing, Sie sind seit 1978 im Schmuck-Management von Niessing tätig. In dieser Zeit wurden – ergänzend zur Trauringfertigung – die ersten Kollektionen innovativer Schmucklinien lanciert. Im Februar fand in München eine Ausstellung mit historischen Werbefotografien von H. P. Hoffmann für Niessing statt. Was haben diese Aufnahmen bei Ihnen ausgelöst?
Marlies Wissing Die Ausstellung hat viele Erinnerungen an diese Zeit wachgerufen. Ich habe an die vielen „Niessing S-Scheiben“ (puristischer Halsschmuck) gedacht, die ich eigenhändig verschickt habe. Wenn man jedes Stück in die Hand nimmt, entsteht eine ganz enge Bindung zu dem Schmuck. Das war damals ein ganz aufregendes Projekt, als Niessing mit Designschmuck auf den Markt kam und wir diesen Riesenerfolg hatten. Umso schöner ist es für mich, dass dieser Weg bis heute fortgesetzt wird und das Niessing-Konzept sich ständig positiv weiterentwickelt.
Art Aurea Sie sind seit kurzem Mitgesellschafter und Geschäftsführer von Niessing, Herr Erl. Was reizt Sie an dieser Aufgabe? Was sind Ihre Ziele?
Sandro Erl Ich bin dankbar dafür, dass ich nach meinen Tätigkeiten für Schmuckfirmen in der Schweiz, in Japan und in den USA jetzt die Geschicke dieser Manufaktur mitbestimmen kann. Niessing ist ein Mythos und hat wie kein anderes Unternehmen die deutsche Schmuckkultur geprägt. Die vielen preisgekrönten Designklassiker bilden die Grundlage für die Entwicklungen der nächsten Jahre. Aber in unserem „Weißen Haus“, dem Reich unseres Designteams, entsteht auch ganz Neues. Ich sehe weltweit hervorragende Perspektiven für Niessing und möchte daran mitwirken, dass die Marke Niessing ihren internationalen Stellenwert stärkt, dass unsere Produkte weiterhin die Maßstäbe in Design und Technik setzen sowie positive Emotionen auslösen.
Art Aurea Klaus Kaufhold, Sie waren einer der ersten Juweliere, der Ende der 1970er Jahre moderne Schmuckkultur – mit Niessing als Zugpferd – in Deutschland propagiert hat. Unter Ihrer Leitung hat das Niessing-Schiff wieder Fahrt aufgenommen. Wohin geht jetzt die Reise?
Klaus Kaufhold Von Beginn an habe ich Niessing als richtungsweisend für zeitgemäße Gestaltung und lebendige Schmuckkultur empfunden. Ich empfinde es als eine spannende Herausforderung, die Geschicke dieser traditionsreichen und innovativen Manufaktur seit sechs Jahren mitzugestalten. Es war immer mein Ziel, das Unternehmen im Sinne der ursprünglichen Niessing-Philosophie fortzuführen. Der Generationswechsel wird sich behutsam vollziehen und ich bin mir sicher, dass wir alle in Zukunft noch viel von Niessing erwarten können.
Interview Reinhold Ludwig Photos Hideaki Hamada, Osaka