Kunst stirbt nicht

Nachruf auf die Künstlerin Juliane Noack

Juliane Noack, Ring <em>Hase</em>, 2012. Aluminium, im Besitz der CODA Sammlung Apeldoorn, NL
Juliane Noack, Ring Hase, 2012. Aluminium, im Besitz der CODA Sammlung Apeldoorn, NL
Juliane Noack, Halsschmuck <em>Vuchs</em>, 2014.  Kupfer. Foto Matthias Behne
Juliane Noack, Halsschmuck Vuchs, 2014. Kupfer. Foto Matthias Behne

In unserer aufgeklärten Welt bleibt der Tod eines der letzten großen Mysterien. Sicher ist, dass das Ableben eines geliebten Menschen eine Tragödie für Angehörige ist. Und wenn jemand bereits in jungen Jahren diese Welt verlässt, ist das besonders schlimm. Es entsteht der Eindruck, dass eine Zukunft verwehrt wurde, von der man nicht weiß, wie sie ausgesehen hätte – sicher ist, dass sie lebenswert gewesen wäre. Am 24. März 2015 zerschellte ein Airbus A320-211 der Lufthansa-Tochter Germanwings auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den südfranzösischen Alpen. An Bord war die Künstlerin Juliane Noack. Sie wurde 30 Jahre alt. In diesem Artikel soll es nicht um die schrecklichen Begleitumstände ihres Todes gehen, die in anderen Medien im Rahmen der Flugzeugkatastrophe zu Genüge besprochen worden sind. In den folgenden Zeilen soll es um Noack als Künstlerin gehen, deren Arbeit bemerkenswert war.

Noack, die 1984 in Halle geboren wurde, war eine Studentin Daniel Krugers an der Burg Giebichenstein / Kunsthochschule Halle. 2012, nach Abschluss ihres Studiums bei dem renommierten Schmuckkünstler erhielt sie den internationalen Graduierten-Preis der Galerie Marzee, Nijmegen. Ein Jahr später zog sie nach Leipzig, wo sie ihr Atelier einrichtete. Es folgten zahlreiche nationale und internationale Gruppenausstellungen sowie Einzelausstellungen in Halle.

„Sie war eine besondere, außergewöhnliche Künstlerin und eine außergewöhnliche Person. Dazu eine ungewöhnlich gute Vernetzerin“, sagt Katrin Eitner. Die Berliner Galeristin, die Noack 2013 kennenlernte und im Jahr danach zum ersten Mal ausstellte, beschreibt sie als Frau, die Menschen zusammenbrachte – privat und professionell. Eines ihrer ausgefallenen Projekte war der hr. fleischer e.V.. Der von Noack 2009 mitbegründete Verein hatte das Ziel, einen aufgegebenen Hallenser Zeitungskiosk zum Kunst-Offspace und Ort der Intervention im öffentlichen Raum zu machen. Es gelang. Am Reileck gibt es nun eine vier Quadratmeter große Schaubude. Manchmal schnitt Noack auf dem Bürgersteig davor Haare. Eitner: „Das war ganz typisch für sie. Sie hatte diese große Kraft in sich, von der jeder, der sie kannte, mit einem Leuchten in den Augen spricht. Das ‚Los, wir machen das jetzt, (trotzdem!)‘, vom dem auch Daniel Kruger in seinem Nachruf berichtet, war das wofür sie stand.“

Achtung und Bedauern sprechen aus dem Text, in dem der Professor von seiner ehemaligen Studentin erzählt. Wir erfahren von einer jungen Frau, deren Interessen von Schmuckkunst über Musik, experimentelle Mode und Design bis hin zur figürlichen Skulptur reichten. Diese Offenheit, dieses interdisziplinäre Interesse für die Künste in all ihren Formen sieht man ihrem Werk an. Menschliche Torsi in Form von in Silber getriebenen Unterhemden: Die Stücke ihrer Serie Flash Gordon, Hank von 2010 tragen die Konturen imaginärer Körper. „Charakertypen oder Persönlichkeiten, die durch Kleidung und die Körperhaltung nahegelegt werden, ohne sich direkt auf eine Person zu beziehen“, so Kruger, seien eines ihrer wichtigen Themen gewesen. Noacks Anspruch ging über Ästhetik hinaus. Sie verfügte über einen Geist, der das Implizite dem Oberflächlichen und Offensichtlichen vorzog.

Juliane Noack, Armreif Kater, 2012. Aluminium

Juliane Noack, Armreif Kater, 2012. Aluminium

Juliane Noack, Ring Hase, 2012. Kupfer, Muschel. Foto Matthias Behne

Juliane Noack, Ring Hase, 2012. Kupfer, Muschel. Foto Matthias Behne

Ein wiederkehrendes Motiv der Hallenserin, das sie auf eben diese Art begriff: das Tier. Auf sorgfältig ziselierten kupfernen Tierringen platzierte sie die Köpfe eines Wildschweines (2010), einer Bulldogge (2009) und eines Raben (2011). Das Tier sei hier eine Metapher, deren Eigenschaften der Träger herausgreift und mit sich in Verbindung bringt, schreibt Kruger. Der einfühlsame Betrachter spürt die symbolischen Kräfte, die erfrischend ambivalent aus den Arbeiten Noacks sprechen. Es handelt sich um Objekte, die nicht der materiellen Aufwertung dienen, sondern Projektionsflächen für Sinnsuche und Verwandtschaftskonstruktionen sind wie sie auch im Totemismus vieler Indianerstämme anzutreffen sind. Ist der fast lebensgroße Kater, der als Armreif getragen werden kann, vielleicht nicht nur Abbild eines Haustieres, sondern auch Beschützer? Das ausdrucksstarke Schmuckobjekt von 2012, in Wachs modelliert und dann in Aluminium gegossen, schweigt sich darüber aus.

Juliane Noack, Maske aus der Wandinstallation <em>24</em>, 2014. Kupfer. Foto Matthias Behne
Juliane Noack, Maske aus der Wandinstallation 24, 2014. Kupfer. Foto Matthias Behne
Juliane Noack, Maske aus der Wandinstallation <em>24</em>, 2014. Kupfer. Foto Matthias Behne
Juliane Noack, Maske aus der Wandinstallation 24, 2014. Kupfer. Foto Matthias Behne

Juliane Noacks schöpferisches Können umfasste sowohl einen berührenden Realismus als auch abstrahierte Formen, die das Gemeinte teils nur noch im Ansatz erahnen lassen. Eine ihrer letzten großen Arbeiten war eine Gruppe von vierundzwanzig Tiermasken, die aus quadratischen Kupferblechen gefaltet eine Wandinstallation bilden (2014). Die Masken – schematische Tiergesichter – funktionieren als vom Träger losgelöste Objekte. Spielt diese Präsentation von Tierköpfen an der Wand auf das Sammeln von Jagdtrophäen an? Kruger widerspricht dieser Deutung und sieht in den Arbeiten aus warmem, leitfähigen Kupfer, das mit der Zeit mit der Atmosphäre reagiert, einen anderen Bezug: „Das, was zusammen mit dem Prozess des Faltens den Stücken ihre Form und ihre Persönlichkeiten gibt, verweist auf das ‚Ins-Leben-kommen’“. Eine weitere Interpretation der vom Träger unabhängigen Arbeiten: Noack schenkte ihren Tieren schließlich die Freiheit.

Sie hinterlässt ein Werk, in dem Schmuck, Skulptur und Installation ineinander übergehen. Eine Zuordnung ihrer Arbeiten zu einem der genannten Bereiche ist, wie der Künstler Hannes Uhlenhaut kommentiert, „eh nicht wichtig“. In Berlin arbeitet ihre Galeristin zur Zeit an den Vorbereitungen für ihre erste Einzelausstellung in der Galerie Katrin Eitner in Berlin. Sie wird nun zu einem späteren Zeitpunkt als Retrospektive stattfinden müssen. Ab dem 24. Juli diesen Jahres wird Noack und ihrem Werk im Bayrischen Kunstgewerbeverein München eine Sonderausstellung gewidmet. Sie wird parallel zur Schau Wo alles anfängt stattfinden, einer der beiden geplanten Gruppenausstellungen im Rahmen von 100 Jahre Burg Halle, bei denen Noack posthum vertreten sein wird. Arbeiten von Juliane Noack sind zudem in den öffentlichen Sammlungen des CODA Museums Apeldoorn (Niederlande) zu sehen.

Juliane Noack (*1984 in Halle, †2015 in Le Vernet). Foto Jörg Lipskoch

Juliane Noack (*1984 in Halle, †2015 in Le Vernet). Foto Jörg Lipskoch

Die Art Aurea-Redaktion spricht ihr herzliches Beileid aus.

Text Agata Waleczek

Fotos Courtesy Galerie Katrin Eitner