Wirkkala jetzt im Grassi

2015 wäre der Designer 100 geworden. Das Grassimuseum in Leipzig lädt nun zu einer Schau

Auf Fotografien erinnert er ein bisschen an den Weihnachtsmann, jedenfalls auf solchen, die ihn in fortgeschrittenem Alter zeigen. Es mag an dem Vollbart und der Pfeife liegen. Berühmt wurde der finnische Ausnahmedesigner Tapio Wirkkala (1915–1985) allerdings für seine ästhetischen wie auch funktionalen Gebrauchsgegenstände, für die er sich von Naturformen inspirieren ließ. Am 2. Juni 2015 wäre er 100 geworden, am 16. Oktober 2016 hätte seine Frau, die Künstlerin, Grafikdesignerin und Keramikerin Rut Bryk (1916–1999) das gleiche Alter erreicht. In mehreren Ländern und besonders in Finnland werden und wurden diese runden Geburtstage über ein Jahr lang in Ausstellungen und Seminaren feierlich begangen. Auch das Leipziger Grassimuseum widmet dem Gestalter mit Tapio Wirkkala. Finnisches Design – Glas und Silber ab dem 2. Juni 2016 eine Schau.

Tapio Wirkkala, 1984 fotografiert von Maaria Wirkkala

Tapio Wirkkala, 1984. Photo Maaria Wirkkala

Tapio Wirkkala & Rut Bryk. Photo Sami Wirkkala

Tapio Wirkkala und seine Frau Rut Bryk. Photo Sami Wirkkala

International seit Anfang der 1950er Jahre bekannt geworden, trug Wirkkala stark zur Beliebtheit der skandinavischen und speziell der finnischen Moderne bei. Die Leipziger Ausstellung umfasst rund 250 Objekte aus Glas und Silber – in Wirkkalas Œuvre zentrale Werkstoffe –, die er zwischen Mitte der 1940er und Mitte der 1970er Jahre entwarf. Die kühle nordfinnische Landschaft war für Wirkkala und Bryk eine zweite Heimat, wo viele seiner Klassiker entstanden. Ihre Flora und Fauna inspirierten den Designer zu Glasgefäßen in Eis-Optik und Silberschalen in klarer und organischer Form, die beispielhaft für das gesamte internationale Design der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stehen. Die vom Finnischen Glasmuseum Riihimaki mit wertvollen Leihgaben der Privatsammlung Kakkonen zusammengestellte Schau war bislang in Finnland und in Spanien zu sehen. Leipzig ist die einzige Station der Ausstellung in Deutschland.

Tapio Wirkkala, Chanterelle, Iittala, 1947. Photo: Tapio Wirkkala Rut Bryk Foundation

Tapio Wirkkala für Iittala, Kantarelli-Vase, 1947. Photo Tapio Wirkkala Rut Bryk Foundation

Tapio Wirkkala wurde am 2. Juni 1915 im südfinnischen Hanko als Sohn von Ilmari und Selma Wirkkala geboren. In den 1920ern zieht die Familie – Tapio hat zwei jüngere Geschwister – nach Helsinki. Hier wird Wirkkala, dessen zeichnerisches Talent bereits in der Grundschule offensichtlich war, von 1933–1936 an der Schule für Industriedesign Bildhauerei studieren. In den folgenden Jahren arbeitet er als Bildhauer und Grafikdesigner, hauptsächlich jedoch kommerziell als Designer für die Industrie. 1945 heiratet er die Künstlerin Rut Bryk, mit der er zwei Kinder haben wird. Ein von der Glasfabrik Iittala ausgelobter Design-Wettbewerb bringt 1946 Wirkkalas Karriere in Schwung, seinen ersten Preis erhält er zusammen mit Kaj Franck. Es folgen die Anstellung als Glasdesigner bei der Manufaktur Iittala – die durch seine und Alvar Aaltos Entwürfe internationale Bekanntheit erlangt – und weitere wichtige Auszeichnungen. Einen Namen macht er sich hier vor allem durch organisch-skulpturale Entwürfe wie die mundgeblasene Kantarelli-Vase, die einem Blütenkelch oder Pilz ähnelt.

Tapio Wirkkala für Venini, Bolle, 1966. Photo Matti Silvennoinen

Tapio Wirkkala für Venini, Bolle, 1966. Photo Matti Silvennoinen

Ebenso bekannt, aber durch Wirkkala persönlich hergestellt: die blattförmigen Lehti-Schalen aus laminiertem und geschnittenem Schichtholz. Sie werden im gleichen Jahr vom amerikanischen Magazin House Beautiful zum schönsten Objekte des Jahres gewählt. 1951–1954 ist Tapio Wirkkala künstlerischer Leiter an der Zentralen Schule für Industriedesign in Helsinki. In dieser Zeit nimmt er mit seinen Entwürfen auch an den Triennalen in Mailand teil. Es folgt eine Stelle als künstlerischer Leiter der Glasfabrik Karhula-Iittala. Kurz arbeitet er auch im New Yorker Designbüro von Raymond Loewy, der den Finnen Philip Rosenthal vorstellt: der Beginn einer weiteren Zusammarbeit. Zu Wirkkalas Porzellan-, Glas- und Besteckentwürfen für Rosenthal zählen Century, Composition, Kurve, Polygon, Taille und Variation. 1968 erhält Wirkkala für das Rosenthal-Porzellan Rotunda die Medaglia d’Oro. Sein Century-Service wird vom Centre Georges Pompidou in Paris in die ständige Sammlung zeitgenössischen Designs aufgenommen; Variation findet sich heute in der Sammlung des MoMA in New York. 1956 gründet Wirkkala, der auch für Venini entwarf, ein eigenes Designbüro in Helsinki. Im Jahr 1964 werden Arbeiten von ihm auf der documenta III in Kassel in der Abteilung Industrial Design gezeigt. 1972 wird er mit der finnischen Auszeichnung Akademiker der Kunst (Taiteen akateemikko) geehrt. Tapio Wirkkala stirbt am 19. Mai 1985. Die Tapio Wirkkala Rut Bryk Foundation in Helsinki erinnert an die Werke beider Künstler. Ihre gemeinsame Tochter Maaria Wirkkala ist ebenfalls eine international erfolgreiche Künstlerin.

Tapio Wirkkala, Ausstellungsposter von 1985

Ausstellungsposter 1985 mit Arbeiten von Tapio Wirkkala. Photo Timo Junttila

Noch bis zum 16. Oktober 2016 werden Rut Bryk und Tapio Wirkkala als prägende Persönlichkeiten des skandinavischen Designs gefeiert. Hier einige Ausstellungs-Highlights aus der Vergangenheit: Am 2. Juni 2015 eröffnete die von Wirkkalas Tochter Maaria kuratierte Schau 8 Exposures – New Views on Tapio Wirkkala im Ateneum Art Museum in Helsinki. Acht bekannte finnische Künstler, darunter Elina Brotherus, Kira Gluschkoff und Pirjo Honkasalo offenbarten in Fotografien ihren Blick auf Tapio Wirkkala. Am 3. Juni 2015 startete im Design Forum Finnland in Helsinki die Verkaufsausstellung Tapio Wirkkala – The colours of Venice, bei der Objekte des finnischen Designers für die italienische Glasmanufaktur Venini gehandelt wurden. Zur Ausstellung Wirkkala Revisited mit Unikaten, Massenwaren und 3-D-Drucken lud das Design Museum in Helsinki ein. In zwei weiteren Schauen im Kaustinen Folk Art Centre und im Finnish Glass Museum in Riihimäki war Porzellan zu sehen, das Wirkkala für Rosenthal gestaltet hat. Die Hauptausstellung STILL / LIFE – Tapio Wirkkala Retrospective Exhibition eröffnete am 30. Oktober 2015 im Korundi House of Culture in Rovaniemi. Statt einer klassischen Retrospektive wurde Wirkkalas Werk als Hintergrund für das heutige Design dargestellt. Die Wanderausstellung war nach dem Start in Lappland in mehreren Museen zu sehen.

Wer Stücke von Wirkkala in Deutschland erwerben möchte, wird beispielsweise in Berlin fündig. Besonders schöne Arbeiten hält Jacksons in Kreuzberg bereit. In der Torstraße vertreibt der Vintage-Design-Store Kippis Objekte finnischer Designer.

Text Agata Waleczek
Fotos Pressematerial

  • GRASSI Museum für Angewandte Kunst
    Johannisplatz 5-11
    04103 Leipzig
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