Fernost im Land der Fjorde

Norwegisch-chinesische Ausstellung mit künstlerischen Keramiken von Ai Weiwei, Ingrid Askeland und anderen

Chen Xiaodan Bloom

Chen Xiaodan, Bloom (Blüte), 2006. Photo Kunstner.

In der chinesischen Provinz Jiangxi sind im Jahr 2012 Fragmente der ältesten bekannten Keramiken der Welt entdeckt worden – 20.000 Jahre alt. In Norwegen kamen Keramiken erst seit dem frühen 17. Jahrhundert auf. Allein dieser Unterschied macht es reizvoll, eine Bestandsaufnahme keramischer Arbeiten aus beiden Ländern zu wagen. Genau das hat man jetzt im Kode 2 im norwegischen Bergen getan. Noch bis zum 12. April werden in der Ausstellung Beyond G(l)aze (Jenseits der Glasur/des Blickes) Arbeiten von je acht chinesischen und norwegischen Künstlern gezeigt. Passend zum grenzübergreifenden Konzept begrüßt bereits vor dem Eingang zum Museum eine künstlerische Keramik von Ingrid Askeland den Besucher. Als überlebensgroße Bierflasche präsentiert sich Why drink of a glass when you can drink from the bottle (Wieso aus einem Glas trinken, wenn man aus einer Flasche trinken kann) von 2012. In den auf ihre Oberfläche gemalten, comicartigen Situationen thematisiert Askeland auf teils humoristische Art die norwegische Bierkultur, wobei sie auch ihre persönlichen Erfahrungen einarbeitet. Ein Beweis, dass Popkultur und Keramik sich nicht ausschließen.

Ingrid Askeland, Why drink of a glass when you can drink from the bottle, 2012

Ingrid Askeland, Why drink of a glass when you can drink from the bottle, 2012.

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Ingrid Askeland, Why drink of a glass when you can drink from the bottle, 2012. Detail.

Im Inneren tischt Feng Feng seine gold-weiß-bunten Keramiken zwischen Tellern auf einer langen Tafel auf. Eine makabre Analogie zum Kulinarischen, genauer zum Anschneiden und Verspeisen, ist in den Stücken der Installation Feast (Festmahl) selbst sowie durch deren Präsentation als Festbankett unübersehbar. Wie anatomische Modelle des menschlichen Körpers – man denke an die angeschnittenen Puppen aus dem Biologieunterricht – geben die im wahrsten Sinne des Wortes organischen Keramiken vor, Einblick in ihr Inneres zu gewähren. So kommt bei einem Querschnitt durch einen weiblichen Unterleib ein goldenes Ungeborenes zum Vorschein. Neben Schwangerendarstellungen hat der chinesische Künstler unter anderem auch Plastiken des menschlichen Gehirns in die Installation integriert. Für Feng Feng, der 1967 im Nordosten Chinas geboren wurde, ist die Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper ein Hauptschwerpunkt seiner künstlerischen Arbeit. Auch in Feast setzt er sich provokativ mit dem Körperlichen auseinander und verdeutlicht auf die etwas andere Art, dass Kunst immer auch Geschmackssache ist.

Feng Feng, <em>Feast</em>, 2008.
Feng Feng, Feast, 2008.
Feng Feng, <em>Feast</em>, 2008.
Feng Feng, Feast, 2008.
Ausstellungsansicht <em>Feast</em> von Feng Feng. Photo Dag Fosse.
Ausstellungsansicht Feast von Feng Feng. Photo Dag Fosse.

Die Installation Sunflower Seeds (Sonnenblumenkerne) des Starkünstlers Ai Weiwei nimmt sich zwischen all den bunten und raumgreifenden Keramiken fast zurückhaltend aus. Andererseits wird in Bergen auch nur ein Teil des Exponats ausgestellt: Die als Auftragsarbeit für die Tate Modern von ca. 1.600 Menschen in über zwei Jahren realisierte Installation besteht ursprünglich aus 100 Millionen doppelt gebrannten und handbemalten Sonnenblumenkernen aus Porzellan. 2010 wurden die Kerne in der Eingangshalle des Museums auf einer Gesamtfläche von 3.400 m² gezeigt. Sie bildeten eine 10 cm hohe Schicht. Ai Weiwei selbst war bei der Vernissage in Bergen nicht zugegen. Chinas wohl berühmtester Regimekritiker darf sein Land nicht verlassen. Auch wurde Sunflower Seeds aus politischen Gründen in China nicht gezeigt, sodass dort nur 15 Künstler teilnahmen. Dem bikulturellen Konzept entsprechend, war die Ausstellung 2014 im Suzhou Jinji Lake Art Museum zu sehen. 40.000 Besucher kamen.

Ai Weiwei Sunflower Seeds

Ai Weiwei, Sunflower Seeds, 2010. Porzellan. Photo Dag Fosse.

Beyond G(l)aze lässt sich als ein bemerkenswertes Zeichen der Annäherung zwischen den beiden Ländern wenigstens auf kultureller Ebene deuten. Politisch gesehen herrscht nämlich zwischen Norwegen und China seit bald fünf Jahren eine Eiszeit. Damals übergab das norwegische Nobelkomittee den Friedensnobelpreis an den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo. Nicht zuletzt verdeutlicht die Schau die starke Position, die Keramik in der internationalen zeitgenössischen Kunst einnimmt.

Mit Ingrid Askeland, Lu Bin, Liu Danhua, Feng Feng, Huang Huanyi, Liu Jianhua, Steinar Haga Kristensen, Torbjørn Kvasbø, Nils Martin, Anne Helen Mydland, Irene Nordli, Linn Pedersen, Lu Pinchang, Corrina Thornton, Ai Weiwei und Chen Xiaodan

Text Agata Waleczek

Liu Danhua, <em>Implements flow</em> (Werkzeuge fliegen), 2010–2011. Photo Dag Fosse.
Liu Danhua, Implements flow (Werkzeuge fliegen), 2010–2011. Photo Dag Fosse.
Huang Huany, <em>Story of Clay</em> (Geschichte aus Ton), 1998.
Huang Huany, Story of Clay (Geschichte aus Ton), 1998.
Irene Nordli, <em>I find it harder and harder</em> (Ich finde es schwerer und schwerer), 2012–2013. Photo J.S. Hermant.
Irene Nordli, I find it harder and harder (Ich finde es schwerer und schwerer), 2012–2013. Photo J.S. Hermant.
Steinar Kristensen, <em>Fortvilelser i leire</em> (Verzweiflung in Ton), 2012. Photo Kunstner.
Steinar Kristensen, Fortvilelser i leire (Verzweiflung in Ton), 2012. Photo Kunstner.
Linn Pedersen, <em>Floor Arrangement</em> (Bodenarrangement). Photo Jan Freuchen.
Linn Pedersen, Floor Arrangement (Bodenarrangement). Photo Jan Freuchen.
Nils Martin, <em>Party Hard</em> (Feiere bis zum Umfallen), 2013. Photo Henrik Lindal.
Nils Martin, Party Hard (Feiere bis zum Umfallen), 2013. Photo Henrik Lindal.
Lu Pinchang, <em>Space Program</em> (Weltraumprogramm). Photo Dag Fosse.
Lu Pinchang, Space Program (Weltraumprogramm). Photo Dag Fosse.
Liu Jianhua, <em>The End of 2012</em> (Das Ende von 2012), 2011. Photo Kunstner.
Liu Jianhua, The End of 2012 (Das Ende von 2012), 2011. Photo Kunstner.
Torbjørn Kvasbø, <em>Stacks</em> (Stapel), 2009–2012. Photo Dag Fosse.
Torbjørn Kvasbø, Stacks (Stapel), 2009–2012. Photo Dag Fosse.
Corrina Thornton, <em>I thought laughter would flow like water</em> (Ich dachte, Lachen flösse wie Wasser). Photo Dag Fosse.
Corrina Thornton, I thought laughter would flow like water (Ich dachte, Lachen flösse wie Wasser). Photo Dag Fosse.

 

  • Kode 2
    Rasmus Meyers allé 3
    5015 Bergen
    Norwegen
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