Der Werkraum Bregenzerwald

Ein Interview mit Frau Dr. Renate Breuß, der ehemaligen Leiterin des Werkraums Bregenzer Wald.

Peter Zumthor liebt gutes Handwerk. Deshalb durfte er auch das Haus für den Werkraum Bregenzerwald bauen. Seit 2013 zeigen dort die Werkstätten der Region Produkte von hoher Qualität. Fragen an die Geschäftsführerin Renate Breuß

Werkraum Bregenzerwald, Peter Zumthor

Konstruktivismus in Vorarlberg. Der Werkraum Bregenzerwald von Peter Zumthor. Photo Florian Holzherr

Art Aurea: Wann und wie entstand die Idee des Werkraums Bregenzerwald?
Renate Breuß: Das gemeinsame Ziel war: die Qualitäten im Handwerk zu schärfen und Kooperation und Austausch zu fördern. Dazu gründeten die Handwerker 1999 einen Verein, um nach außen mit Ausstellungen, Wettbewerben und Vorträgen und nach innen mit Entwicklungs- und Jugendarbeit zu wirken. Parallel zur Architektur Vorarlbergs fanden die innovativen Handwerker zu einer eigenen Handschrift und Haltung. Der Wunsch nach Kontinuität und Verankerung manifestiert sich heute im Werkraumhaus in Andelsbuch.

AA: Wie kam es, dass sich die Idee der Moderne ausgerechnet im Bregenzerwald so eindrucksvoll etabliert hat?
RB: Neben einer sensibilisierten Architekten- und Handwerkerschaft veränderten sich mit der Zeit auch die Sehgewohnheiten in der Bevölkerung. Die Menschen lassen bei den Handwerkern fertigen, sind offen für neue Entwicklungen und vorbildliche Sanierungen. Hier spielen auch Preise wie der Wettbewerb Handwerk+Form eine wichtige Rolle. Ein traditionell starker Gemeinschaftssinn und eine Haltung, die Gestaltung nicht als Beiwerk sieht, ist auch in einer verfeinerten Ess- und Kochkultur zu beobachten oder im lebendigen Umgang mit Sprache und Musik.

AA: Wie wird man Geschäftsführerin des Werkraums Bregenzerwald? Was sind Ihre wichtigsten Ziele in dieser Funktion?
RB: In diese Funktion bin ich als Kunsthistorikerin hineingewachsen. Bei meinen Forschungen zur Geschichte des Kochens setzte ich mich auch mit dem Handwerk auseinander. Für den Werkraum war ich in den Anfängen konzeptionell und redaktionell tätig, seit 2008 als Leiterin. Mein Antrieb war primär, das Handwerk mit dem in dieser Region noch sehr breit verankerten Wissen zu sichern und weiterzubringen.

AA: In Hittisau gibt es ein Frauenmuseum und es gibt viele Hauben-Köchinnen in ganz Vorarlberg. Offenbar haben die Frauen hier eine besondere Stellung, ganz im Gegenteil zu anderen Bergregionen.
RB: Die Führung einer Hauswirtschaft lag früher in den Händen der Frauen. Hier bildeten sich früh gestalterische und organisatorische Fähigkeiten, u.a. im Kochen. In die familiengeführten Betriebe sind die Frauen traditionell eingebunden. Im 21. Jahrhundert werden diese Kompetenzen mehr und mehr sichtbar und finden öffentliche Anerkennung.

Renate Breuß, Geschäftsführerin

Dr. Renate sieht Avantgarden auch im ländlichen Raum

AA: Wie war die Resonanz seit der Eröffnung des Werkraums 2013 und wie wirkt sich dieser Ausstellungs- und Veranstaltungsort auf die Entwicklung der Handwerkskultur im Bregenzerwald aus?
RB: Im Schnitt zählen wir an die 2000 Besucher im Monat, darunter viele Architekten und Bauherren, aber auch Gäste, die im Bregenzerwald Urlaub machen. Neben der ständigen Präsentation von Arbeiten unserer Meisterwerkstätten ist das Gebäude selbst, als Exponat unserer Bauhandwerker, von Interesse. Über Sonderausstellungen sind auswärtige Positionen präsent. Aktuell ist das die Ausstellung no name design, eine Sammlung von über 1000 Objekten, zusammengetragen und ausgelegt vom Schweizer Gestalter Franco Clivio zusammen mit dem deutschen Fotografen Hans Hansen. Im Sommer folgt Küchen-Kochen-Handwerk, eine Schwerpunktausstellung unserer Mitgliedsbetriebe unter Einbindung von Lebensmittelhandwerkern aus der Region. Im Herbst geht zum siebten Mal der Wettbewerb Handwerk+Form über die Bühne. Es zeigt sich, dass Avantgarden auch an der Peripherie und nicht immer im urbanen Raum agieren. Konkret sollen auch junge Menschen für Handwerksberufe gewonnen werden. Hier ist das Interesse steigend, wenn auch langsam.

AA: Nachhaltigkeit ist ein häufig bemühtes Schlagwort unserer Zeit. In der Handwerkskultur des Bregenzerwaldes wird sie wie selbstverständlich gepflegt. Was kann man tun, damit dieses Beispiel Schule macht und der „Ikeaisierung“ unser Welt Einhalt geboten wird?
RB: Es müsste weitere Initiativen geben, das Handwerk mit seinen Leistungen als eine nachhaltige und nichtkonsumistische Haltung in unserer Gesellschaft zu verankern, darin sehe ich eine Verantwortung. Das Handwerk bringt Arbeits-, Produkt- und Lebensqualität unter einen Hut. Es bedient eine Klientel, die in ihrer Kaufentscheidung von Anfang an – von der Frage nach dem Bedürfnis über die Herstellung und Planung bis zum Gebrauch – mit eingebunden ist. So kann der Kunde sehr früh eine Beziehung zu den Dingen aufbauen. Dinge, die ihn dann mit Vergnügen und ohne Verdruss eine lange Zeit begleiten können, die auch so gemacht und gestaltet sind, dass sie lange halten und Freude machen. Handwerk ist nicht anonym, dahinter stehen Menschen und Geschichten.

Interview Reinhold Ludwig

Photos Florian Holzherr und Ralph Feiner

Dieses Interview ist auch in der Printausgabe ART AUREA  2-2015 erschienen