Ulla und Martin Kaufmann

Die jüngsten Arbeiten des Goldschmiedepaars aus Hildesheim sind schlicht und opulent zugleich.

Martin und Ulla Kaufmann in ihrem Garten.

Martin und Ulla Kaufmann in ihrem Garten.

Ulla und Martin Kaufmann sind als Gestalterpaar in vieler Hinsicht ein Sonderfall. Es beginnt bei der Parallelität der Ausbildung und der gemeinsamen Vita, erstreckt sich über identische gestalterische Vorstellungen und gipfelt in der seltenen Einheit eines gemeinsamen Werkes. Beide sind 1941 in Hildesheim geboren. Beide haben zwischen 1958 und 1962 eine traditionelle Ausbildung als Gold- und Silberschmiede absolviert und mit der Meisterprüfung abgeschlossen. Beide bewegen sich ohne Allüren im Spannungsfeld von Handwerk, Design und Kunst. „Wir machen alles gemeinsam“, antworten sie auf die Frage, wer für diese oder jene Entwicklung verantwortlich zeichnet. Gemeinsam haben sie seit 1970 am Stadtrand von Hildesheim einen ehemaligen Bauernhof in einen Ort verwandelt, in dem sich zwischen Gemüsebeeten und Obstgarten, Wohnhaus und Werkstatt, Küche und Kunst ihr ganzheitliches Leben und Arbeiten abspielt.

Um einen visuellen Einblick dieser Welt zu vermitteln, ist Achim Hatzius im Dezember 2013 von Berlin nach Hildesheim gefahren und hat die Kaufmanns einen guten Tag lang mit seiner Kamera begleitet. Für seine Fotos hat er Filme verwendet, die er seit Jahren in einem Kühlschrank aufbewahrt. Ihre sichtbare Körnung, die wie getönt erscheinenden Farben sowie die Schwarz-Weiß-Aufnahmen versetzen uns zurück in eine Epoche, in der viele Fotografen auf ihr persönliches Filmmaterial schwörten und häufig ihre Aufnahmen selbst entwickelten. Als in den 1990er Jahre die Digitalisierung um sich griff, schmiedeten die Kaufmanns ihre ersten Schmuckstücke aus Gold und gaben ihnen so profane Namen wie Nur Blech, Gespiegelt oder Fast nichts.

Wohl am trefflichsten werden die in rund zweitägiger Handarbeit geschmiedeten Hals- und Armreife in dem Katalog „Sequenzen 1999 – 2004“ beschrieben. Die Autorin Dr. Eva Maria Hoyer, Direktorin des Grassimuseums Leipzig: „Fast nichts nannten Ulla und Martin Kaufmann ihren mehrfach preisgekrönten Halsreif. Ein geschmiedetes Band aus matt glänzendem Gold, sonst nichts. Kein Verschluss, keine überflüssige Zier. Absolute Reduktion. Wie ein elastisch federnder Span legt sich der schlanke Reif betörend schlicht und schmeichelnd um den Hals der Trägerin, so als würde er sich mit ihr verbinden, ein Stück ihrer Identität sein. Hat man dieses Gefühl einmal verspürt, möchte man diesen Schmuck nicht mehr ablegen.“

Zur jüngsten Grassimesse in Leipzig, an der die Kaufmanns seit vielen Jahren regelmäßig teilnehmen, hatten sie eine Überraschung parat. Neben den bekannten minimalistischen Stücken präsentierte das Gestalterpaar neue Hals- und Armreife in Silber. In ihrer glänzenden Opulenz erscheinen sie ungewohnt, stellen aber gleichzeitig eine konsequente Weiterentwicklung der bisherigen schlichten Stücke dar. Der neue Hals- und Armschmuck ist deutlich dünner, breiter und länger als die bekannten Stücke. „Die Einfachheit der Idee verbunden mit der Präsenz des Materials wirkt opulent und faszinierend“, so beschreiben Ulla und Martin Kaufmann die ersten Reaktionen ihrer Kunden. Es sei daher nur folgerichtig, diese neue Form auch in Gold umzusetzen.

Eine ehemalige Scheune wurde zur großzügigen Werkstatt umgebaut.

Eine ehemalige Scheune wurde zur großzügigen Werkstatt umgebaut.

Auf die Frage, was sie bis heute an dem Werkstoff Gold fasziniere, antworten die Gold- und Silberschmiede aus Hildesheim in der ihnen eigenen kurzen, aber treffenden Weise: „Die Überzeugungskraft der Farbe Gold und die Plastizität des Materials.“ Sie hätten nicht ohne Erfolg – wie viele ambitionierte Goldschmiede ihrer Generation – in den 1970er Jahren mit farbigem Kunststoff gearbeitet. Doch sei dies auf Dauer für sie zu wenig gewesen. „Nicht zuletzt, da die Möglichkeiten plastischer Verformbarkeit für uns ziemlich beschränkt waren“, erklären sie rückblickend. Bleibt die Frage an Ulla und Martin Kaufmann, wer diese Hals- oder Armreife aus Gold trägt und was damit zum Ausdruck kommt? „Unseren Schmuck tragen selbstbewusst auftretende und souverän handelnde Menschen: pragmatische Idealisten und hedonistische Materialisten.“

Wir haben nachgeschaut, was es mit den beiden Begriffen auf sich hat. Bei „pragmatischen Idealisten“ steht laut einer Shell-Studie die ideelle Seite des Lebens im Vordergrund. „Hedonistische Materialisten“ sehen ihr Lebensziel schlicht und einfach in einem hohen Lebensstandard. Der Hedonismus ist als Philosophie des individuellen Genusses seit der griechischen Antike bekannt. Beide Begriffe, sowohl der des pragmatischen Idealisten wie der des hedonistischen Materialisten, abgekürzt Hedomat, sind in der Diskussion um den Wertewandel seit Ende der 1980er Jahren aufgekommen. Ganz offenbar hatten die Kaufmanns dafür frühzeitig das richtige Gespür.

Text Reinhold Ludwig
Photos Achim Hatzius
Ulla & Martin Kaufmanns Profil auf Art Aurea.com
Homepage der Designer
Veröffentlicht in Art Aurea 1–2014